werg  Die Größe der Zwerge wird verschieden angegeben. Bald erreichen sie das Wachstum eines vierjährigen Kindes, bald erscheinen sie weit kleiner, nach Spannen oder Daumen gemessen. Ihrer neun können in einem Backofen dreschen.

Die Zwerge sind meistens alt, haben einen eisgrauen Bart, der bis aufs Knie reicht, und ein verrunzeltes Gesicht; Zwergkönig Gibich ist rauh von Haaren wie ein Bär.

Ein Höcker oder ein dicker Kopf entstellt oft die kleine Gestalt, fahl und grau, schwarz und eisgrau ist ihre Farbe. Sie haben Gänsefüße, und dann trippeln sie leise wie Vögel daher und tragen lange Mäntel, sie zu bedecken, oder Geißfüße, dann trappeln sie ziemlich laut. Das Laufen der Zwerge über eine Brücke gleicht dem einer Schafherde. - (her)

Zwerg (2) Hofnarren waren schon im Altertum fixer Bestandteil des fürstlichen Aufwandes, des Stolzes, der Prahlerei und der Belustigung ihrer Herren. Die römischen Cäsaren waren besondere Liebhaber von »artigen« Zwergen. Marcus Antonius besaß einen Zwerg, den er zum Spott Sisyphos nannte; Augustus ließ seinen Lieblingszwerg Lucius bei Schauspielen auftreten, weil er »nur 17 Pfund wog« und eine »sehr starke Stimme« hatte; Kaiser Domitianus wiederum ergötzte sich an nächtlichen Fechtspielen zwischen Zwergen und »Weibern«.

Nach den Kreuzzügen verbreiteten sich die Spaßmacher in ganz Europa, und seit dem 15. Jahrhundert gehörten sie zu jedem vollständigen Hofstaat. Entweder waren es feingebildete witzige Hofleute oder Männer von gelehrter Bildung, die das Vorrecht ›Narrenfreiheit‹ hatten, durch beißenden Witz und geistreichen Tadel die Gesellschaft zu unterhalten und zu geißeln, wie Maximilians I. Narr Kunz von der Rosen. Oder es waren Krüppel, Zwerge, Idioten, über die man sich lustig machte. Renaissance- und Barockfürsten übertrafen einander gelegentlich an »amüsanten« Einfällen: Zwerge wurden in Pasteten und Kuchen versteckt, bei Tisch aufgetragen und sprangen dann, der Gelegenheit entsprechend, heraus, um auf der Tafel »herumzuscharmutzieren« Der Hofzwerg des Polenkönigs Stanislaus II., Nikolaus Ferry, von seinem Gönner Bébé genannt, mußte bei einer Festtafel in der Uniform der Garde du Corps einem als Festung gestalteten Backwerk entsteigen und wurde prompt von den anwesenden Gästen mit Bonbons beschossen. Nach seinem Tod 1764 wurde Bébés kleiner Körper durch den Leibarzt des Königs seziert und das Skelett in der öffentlichen Bibliothek zu Nancy aufgestellt.

Ein anderer, wegen seines schlagfertigen Witzes bekannter Zwerg war Klemens Perkeo aus Salurn in Südtirol, der um 1720 Hofnarr und Kammerherr des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz war. Der Dichter Joseph Viktor von Scheffel (1826—1886) verewigte den Kleinwüchsigen in einem Lied, in dem es unter anderem heißt: »Das war der Zwerg Perkeo vom Heidelberger Schloß, / vom Wuchse klein und winzig, vom Durste riesengroß, / Man schalt ihn einen Narren, doch er dachte: Liebe Leut‘, / wärt ihr wie ich doch alle feuchtfröhlich und gescheit!« Es wird erzählt, daß der nicht nur kluge, sondern auch trinkfeste Zwerg, der wahrscheinlich mit bürgerlichem Namen Johannes Clement hieß, auf die Frage, ob er das große Faß zu Heidelberg austrinken könne, mit Perche no? geantwortet habe, was ihm den Spitznamen »Perkeo« eintrug. Nach seinem Tod erhielt der »feucht-fröhliche und gescheite« Narr im Hof des Heidelberger Schlosses ein Denkmal. - (pal)

Zwerg (3)

"Wichtelmännchen"

- Goya, Caprichos. Zürich 1972 (detebe 33/1, zuerst 1799)

Zwerg (4)

Das Lied des Zwerges

Meine Seele ist vielleicht grad und gut;
aber mein Herz, mein verbogenes Blut,
alles das, was mir wehe thut,
kann sie nicht aufrecht tragen.
Sie hat keinen Garten, sie hat kein Bett,
sie hängt an meinem scharfen Skelett
mit entsetztem Flügelschlagen.

Aus meinen Händen wird auch nichts mehr.
Wie verkümmert sie sind, sieh her:
zähe hüpfen sie, feucht und schwer,
wie kleine Kröten nach Regen.
Und das Andere an mir ist
abgetragen und alt und trist;
warum zögert Gott auf den Mist
alles das hinzulegen.

Ob er mir zürnt für mein Gesicht
mit dem mürrischen Munde?
Es war ja so oft bereit, ganz licht
und klar zu werden im Grunde;
aber nichts kam ihm je so dicht
wie die großen Hunde.
Und die Hunde haben das nicht.

- Rilke

Zwerg (5)   Ich liebe Zwerge. Ich bewundere ihre Selbstsicherheit. Ich finde sie sympathisch und intelligent und arbeite gern mit ihnen. Die meisten sind gern, was sie sind. Die Zwerge, die ich gekannt habe, hätten um nichts auf der Welt mit Menschen normaler Größe tauschen wollen. Sie besitzen eine große sexuelle Potenz. Der Zwerg aus dem Film Nazarín hatte in Mexiko zwei Geliebte von üblicher Größe, die er abwechselnd besuchte. Es gibt Frauen, die Zwerge lieben. Vielleicht, weil ein Zwerg für sie Geliebter und Kind in einer Person ist.  -  Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am Main 1985

Zwerg (6)   Lavater führt das Beispiel eines riesenhaften Schweizers von 7 Fuß 6 Zoll Länge an, in dessen Kopfbau dasMittelhaupt sehr sich hervorhebt; es war ein stller guter Mann und als Hoftürke in Ludwigsburg angestellt. Von irgend einem höheren Geistesleben also keine Spur. Ähnliches galt von dem sogenannten Norfolk-Riesen Ro. Hales, aud einem Dorfe in Norfolk 1820 geboren, von 7 Fuß 6 Zoll Länge und 462 Pfund Schwere. Hier waren schon die Eltern von beträchtlicher Größe. Der Mann reiste, um sich sehen zu lassen, und wird als ein ruhiger freundlicher Mann geschildert. Läßt doch schon Homer den Ulysses zum Euryalus sagen: "Wenn dir die Parzen große Glieder gegeben haben, so entbehrst du doch des Verstandes."  - Wenn daher zuweilen wirklich auch Menschen von besonders groß und stark ausgebautem Körper mit auffallend kräftigem Geiste vorkommen (so z. B. Karl der Große, Michel Angelo, Händel, David Hume, Johnson), so wird dies allemal nur durch ein in gleichem Verhältnis stärker organisirtes Gehirn und besonders mächtigen Kopfbau verständlich und erklärt.

Anderes lehrt uns die Symbolik über die Menschen von übermäßiger Kleinheit, Zwerge (Nani) genannt, als in welchem, bei dem widernatürlich Kindhaften der ganzen Erscheinung, namentlich die geringe Entwicklung der Willensenergie, das charakteristische Element der geistigen Anlage zu bilden pflegt. Auch hier muß bemerkt werden, daß die Proportion bei dieser Kleinheit nie ganz normal gefunden wird, und daß bedeutende Abweichungen des Einzelnen in dieser Beziehung ihre mit Psychischen ungünstige Prognose stets gesteigert finden werden durch die zu geringe Raumerfüllung des Körpers im Ganzen, und zwar um so mehr, je geringer diese Raumerfüllung ist. - So z. B. würde also ein unförmlich großer Kopf, eine beträchtliche Verunstaltung von Brust oder Leib, und Ähnliches mehr, am Zwerge wie am Riesen, die den geistigen Anlagen nachtheilige Deutung, welche daraus schon an und für sich angenommen werden darf, noch wesentlich steigern. Man hat bisher noch wenig oder keine Untersuchungen über die Proportion der Zwerge angestellt. Haller führt Beispiele von Zwergen von 40 - 30, ja bis nur 10 Zoll Länge an, welche letztere Größe er für das Äußerste, das wahre Minimum des Menschen hält. Von Proportion ist dabei nichts angeführt. Der kleinste mir vorgekommene Zwerg ist der bekannte Tom Ponce von 25 Zoll Länge und 15 Pfund Gewicht. Fast ganz gleich war der unter dem Namen Prinz Colibri reisende kleine Schleswiger, den ich 1851 in Dresden sah, wo er im 21. Jahre sich befand. Beide waren von feinem Gliederbau, der Kopf nach kindlichem Verhältnis, aber etwas zu groß und von mehr breiter rundlicher Form. Das Geisetsleben erschien in beiden mehr als eine Art zierlicherAbrichtung. Noch gnauer untersuchen konnte ich einen andern, den Zwerg Billi aus Schlesien, im Dienste des Fürsten Pückler-Muskau. Er maß 43 Zoll Länge, oder 1,17 Meter, und hinsichtlich seiner Proportion fand ich folgende Verhältnisse: Der Modul (das 1/3 der freien Wirbelsäule), welche 11 2/3 Centimeter betrug, bestimmte sehr genau die sämmtlichen Verhältnisse des Stammes und so auch die Endglieder, Hand und vorstehenden Fuß, ganz in der Art wie bei einem normalen Erwachsenen, dagegen waren die Gliedmaßen etwas länger, z. B. Der Oberschenkel, statt wie er sollte, 28 5/6 Centimeter zu etragen, betrug deren 32, der Arm statt 35, betrug deren 38, und eben deshalb die ganze Länge etwas über 10 Modul, ein Verhältnis, welches sonst gewöhnlich nur bei sehr großen Personen getroffen wird. Ebenso wie die Gliedmaßen waren endlich auch Länge und Höhe des Kopfs (letzterer ohne den Unterkiefer gemessen) um 1 1/2 bis 2 Centimeter größer als der Modul, und angemessen diesem räumlich günstigen Verhältnis, und einer feinen, übrigens ziemlich normalen Bildung des Körpers überhaupt, zeigten sich denn auch die geistigen Anlagen fein und zierlich, freilich ohne alle höhere Productivität, entwickelt, und das sensible der Constitution, sowie ein sanguinisches Temperament, sprach sich außerdem sehr bestimmt aus. - Es liegt übrigens am Tage, daß das Alter mit in Anschlag gebracht werden muß, wenn man die Symbolik der so beträchtlichen Kleinheit des Körpers sich völlig deutlich machen will. Es ist nämlich sehr einleuchtend, daß hier, mit jedem spätern zunehmenden Jahre, das Widersprechende der Bildung sich steigert, je mehr der Mensch von der Kindheit sich entfernt, dabei aber doch das räumliche Verhältnis des Kindes behält.  -  Ein sehr alter Zwerg wird deshalb stets nicht nur eine an sich widrige Erscheinung sein, sondern er wird auch allemal, eben jenes immer größer werdenden Widerspruchs wegen, um so unschöner und unrauchbarer in seinem Geistesleben sich darstellen, je weiter er von dem Alter sich entfernt, welches allein eine so geringe Körpermasse rechtfertigt.   - Carl Gustav Carus, Symbolik der menschlichen Gestalt. Darmstadt 1962 (zuerst 1852)

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