ahrheitsagen Zur
Definition des Wahrheitsagens sei bemerkt, daß es nicht bedeutet, nicht zu lügen,
sondern zu wissen, wann man zu lügen hat und wann nicht. Es handelt sich, wie
man sieht, um die Minima. Und de minimis non curat veritas. Richtig lügen kann
bloß ein tiefer, guter, vertrauensvoller Mensch. Wem das nicht habituell ist,
gegen den werden sich seine eigenen Lügen wenden und ihn belügen. Der Satz gilt
auch in seiner Umkehrung: wer nicht ein guter, tiefer ehrlicher Lügner ist,
der ist kein vertrauenswürdiger Mensch. Einer, der sich in der Klemme nicht
an ein, zwei Sachen erinnern kann, die nie passiert sind, der ist ein ebenso
schlechter Mensch wie der, der nicht zu vergessen weiß. Wer nicht versteht,
ein Auge zuzudrücken, der kann auch nicht sehen. Und wer nicht lügen kann, hat
keinen Sinn für die Wahrhaftigkeit und der kann auch nicht die Wahrheit sprechen.
- Franz
Blei, nach:
Lügenmärchen aus alter und neuer Zeit. Hg. Georg A. Narciß. Frankfurt am Main
1966 (Fischer-Tb. 744)
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