erve Aus dem ersten Stimmenchaos taucht die Verve und der Geist der Lagier auf, die berauscht von zwei Glas Wasser und der Nähe des frischen Fleisches, das ich darstelle, sich über den Auswuchs einer Vierzigjährigen beklagt, der ihr schon mit achtundzwanzig Jahren am Hals käme; macht Scholl fertig, den sie den Rubempré aus Bordeaux nennt; zerpflückt die Doche; äfft die Duverger nach; mimt eine schweinige Szene; entkleidet die Männer, die sie gekannt hat; erzählt, daß Séjour (einer der Autoren des Abends) wütend sei, weil er sie in der Gondel, in der sie auf die Bühne kommt, Wurst habe essen sehen; spricht von Jobberliesen, wie sie eine sei; sagt, daß sie froh sei, wenn sie mal zehn Francs in der Tasche habe, dabei hat sie Hunderttausende durchgebracht; spricht von der Nacht, die sie mit Marchal, durch ein Laken getrennt, verbracht hat; meint, daß einer von uns beiden einem jener hübschen Zeichenlehrer aus dem Pensionat ähnlich sehe, den sie einen ›Ausschlachter‹ der Mädchenschlafsäle nennt; duzt alle Welt und schließt mit dem Bekenntnis über ihre Ehe mit (dem Theaterdirektor) Sari: »Recht haben Sie, meine Liebe! Sie haben höchstens zwei Liebhaber gehabt, ich dagegen hundert, hundertundfünfzig, was weiß ich! Ein Mann, der mich lieben wollte, hätte mir zuviel vorzuwerfen ... Er läßt mir meine Freiheit, er macht zwar Seitensprünge, erlaubt mir aber, auch ihm Hörner aufzusetzen, vorausgesetzt, daß ich sie ihm nicht gegen Bezahlung mache. Er kommt für meine Ernährung, Wäsche und Unterhalt auf. Was will ich also mehr? Ich verdiene sechstausend Francs; sie sind für meine Mutter . . . Hätte ich hunderttausend Francs, gäbe ich sie doch bloß wie nichts für Krimskrams aus. Schauen Sie; ich bin ein Mann . . . Na ja, wir sind sehr glücklich! Alle diese Possen der Männer sind ja doch bloß lästig . . .«
Und all das sagt sie mit ihrem guten dicken, sehr weißen und sanften Gesicht,
dem ein Männerkragen über einer weißen Krawatte so gut steht, und mit dem großen,
gescheiten, schmeichelnden Auge, das gleichzeitig zärtlich und ironisch blickt,
wie auch ihr Lächeln geistreich und dabei gutmütig ist. Eine Sprache, die jede
Art von Argot benützt und die sie wie Händevoll von Farbigkeit um sich wirft,
eine unversiegliche Schlagfertigkeit, Histörchen, die von Rabelais gesalzen
zu sein scheinen, ein so freimütiger Zynismus, so ganz ohne Halsband, daß nichts
daran abstößt, ganz nackt und strahlend dargebotene Weibsenlaunen. Keine zeitgenössische
Komödie kommt dieser Frau gleich, keine Belustigung ist so amüsant wie diese
ulkige Nudel und erheiternde Großschnauze beim Souper der Leckerbissen, eine
Frau, die man wie eine Mätresse der Regence in Kresse
servieren sollte. - (
gon
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