Versuchskaninchen    Ungeeignete Bewerber auszusortieren war zeitraubend und ermüdend gewesen, obwohl einige von ihnen ein paar interessante Rekorde mit dem alten Plastikapparat von A. C. E.*   aufgestellt hatten. Die Person, die schließlich für den Testlauf mit dem neuen, wiedergeborenen A. C. E. ausgewählt worden war, hieß Rhoda Chief und arbeitete als Sängerin bei einer Rockband namens Civic Monster. Kritiker hielten sie für die beste Heavy Rock-Sängerin seit Janis Joplin, aber eigentlich war sie damals in den Sechzigern mit einer sehr eigenwilligen und merkwürdigen Mutation des altmodischen Dixieland Seat bekannt geworden. Nur ganz wenige Zuhörer realisierten, daß ihre Riffs nicht bloß Durcheinander waren, sondern Fragmente der Enochischen Schlüssel, die von Dr. John Dee, Mister Aleister Crowley und anderen Magiern benutzt worden waren. Leute, die aus den Konzerten von Civic Monster kamen und plötzlich Auras sahen, seltsame Stimmen hörten, seltsame, flüchtige Blicke ins Märchenland von Oz erhaschten oder Djinns erblickten, die sich um Allahs Thron scharten, schreiben diese Eindrücke den kräftigen Marihuanaschwaden zu, die bei den Konzerten immer in der Luft hingen. Was Rhoda selbst bei diesen Gelegenheiten sah, blieb ein Geheimnis zwischen ihr und ihrem zeitweiligen Liebhaber dieses Jahrzehnts, Cagliostro dem Großen, dem umstrittenen Bühnenmagier.

In den siebziger Jahren hatte Rhoda sich aber auch noch auf andere Art einen Namen gemacht. «Wenn die dir einen abkaut, können sämtliche anderen Miezen im Showgeschäft einpacken», behauptete man in der High-Society. Aber dieses Gerücht hatte die antiseptisch-wissenschaftliche Welt von Dr. Dashwood bisher noch nicht erreicht.

Munter seine adrette Fliege zwirbelnd, schlenderte Dr. Francis Dashwood, Physiker und Wissenschaftler, den Gang zum Labor 3 hinunter.

Rhoda Chief war schon ausgezogen, hatte aber züchtig ein Bettlaken über ihren üppigen und offensichtlich immer noch hinreißenden Körper gebreitet und lächelte breit, als sie den Doktor sah. «Na, wo ist der A. C. E.?» fragte sie fröhlich. «Wir haben erst noch ein paar Verbesserungen angebracht», erklärte Dashwood mit professionellem Pathos. «Sie werden den heutigen Test sicher als weitaus angenehmer empfinden als die Probeläufe letzte Woche.»

Das Laken verrutschte ein bißchen und legte ein paar Zentimeter der runden, festen Brust frei. «Haben Sie ihn vielleicht vergrößert? Den Errol Flynn, den Primo Camera und den King Kong hab ich schon durch.» Das waren die technischen Slangbezeichnungen für verschiedene Modelle des Roboterdildos.

Was für ein phantastisches Exemplar einer geilen wilden Frau sie doch ist, dachte Frank abwesend. Trotz seiner wissenschaftlichen Attitüde spürte er, wie sehr er sich darauf freute, daß in wenigen Sekunden das Laken endlich ganz fallen und diesen unglaublichen Körper preisgeben würde, der ihm am Wochenende zweimal im Traum erschienen war. Er gab sich einen Ruck und schlüpfte wieder in seine professionelle Rolle. «Nein», sagte er ruhig. «Keine größeren Modelle mehr. Der King Kong ist der größte, den wir überhaupt haben. Heute gibt es etwas ganz Neues. Wir nehmen einen echten - allerdings immer noch am A. C. E. angeschlossen. Aber Geschwindigkeit, Tiefe der Stöße und so weiter werden ganz ihren persönlichen Wünschen angepaßt. Ah, da ist er ja.»

Ein Techniker rollte den neuen, verbesserten A. C. E.-Apparat herein.

Rhoda setzte sich auf und starrte ihn mit echter Überraschung an. Das Laken verrutschte noch ein Stückchen weiter nach unten und enthüllte einen prachtvollen rechten Nippel. Wie ein schokoladenbraunes Gummibonbon, dachte Frank. Nicht zum erstenmal verfluchte er die professionelle Ethik, die seine Karriere ruinieren würde, wenn er je eines seiner Versuchsobjekte berühren würde.

Der Techniker, der darauf bestand, «Jonesy» oder «R. N.» genannt zu werden - sein richtiger Name war Richard Nixon Jones, aber das behielt er sorgfältig für sich, und seine Mutter hatte noch nie eine Karte zum Muttertag bekommen -, rollte den A.C.E, zum Bett hinüber und stellte ihn im richtigen Winkel ein. Das Ganze sah jetzt aus wie eine Science-fiction-Version des Großen Gottes Baphomet. Der rosa Phallus schien auf der weißen Plastikskulptur der Maschine ganz besonders erotisch. Er hing ein paar Zentimeter über dem Venusbusch, der unter dem dünnen weißen Laken schwach sichtbar war.

«Alles klar», sagte Jonesy steif und zog sich zur Tür zurück. Er hatte seine anfängliche Verlegenheit, für das Orgasm Research Center zu arbeiten, nie ganz überwinden können. Spielerisch streckte Rhoda Chief die Hand aus und befühlte Ulysses, der über ihrem Bauch schwebte. Es folgte eine kleine Pause. Dashwood beobachtete, wie sich ihre Hand den rosa Schaft entlang bewegte. Lebhaft stellte er sich vor, wie sich dieselbe Hand an seiner Hose zu schaffen machte. Ich bin Wissenschaftler, rief er sich streng zur Ordnung.

«Also», sagte er, «sobald Sie bereit sind.» «Es ist für die Wissenschaft», sagte Rhoda heiser. «So ist es. Für die Wissenschaft.» «Nehmen Sie mir das Laken ab», flüsterte sie. «Das darf ich nicht», sagte Frank und bemühte sich, den Bruch in seiner Stimme zu vermeiden, während seine Augen das Dreieck  unter dem Laken fixierten.

«Ach ja», sagte sie. «Ich hatte es vergessen.»

Wieder eine Pause.

«Für die Wissenschaft», sagte er sanft.

«Für die Wissenschaft», wiederholte sie.   - Robert Anton Wilson, Schrödingers Katze - Das Universum nebenen. Reinbek bei Hamburg 1987

* A. C. E. = Artificial Coitus Equipment

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