issenschaftsförderung   Gewöhnlich empfing Mister Burke nur einen einzigen Gast, niemals denselben. Bei sinkender Nacht pflegte er einen Unbekannten auf der Gasse einzuladen. Er ging durch die Stadt, um nach merkwürdigen Gesichtern zu fahnden. Manchmal traf er seine Wahl auf gut Glück. Er wandte sich an den Fremden mit der vollendeten Höflichkeit eines Harun-Al-Raschid. Der Fremde erklomm die sechs Stockwerke zu Mister Hares Bodenkammer. Das Sofa wurde ihm überlassen; schottischer Whisky wurde ihm angeboten. Mister Burke fragte ihn nach den erstaunlichsten Ereignissen seines Lebens. Er war ein unersättlicher Zuhörer, der Mister Burke. Die Geschichte wurde vor dem Morgengrauen stets von Mister Hare unterbrochen. Die Art und Weise der Unterbrechung war unveränderlich dieselbe und überaus zwingend. Um den Faden der Erzählung abzuschneiden, ging Mister Hare jedesmal hinter das Sofa und legte seine beiden Hände auf den Mund des Berichtenden. Zugleich nahm Mister Burke Platz auf dessen Brust. Die beiden verharrten unbeweglich in ihrer Stellung und sannen dem ihnen nun verschlossenen Ausgang der Geschichte nach. So beendeten die Herren Burke und Hare eine Menge Geschichten, die die Welt nicht kennen wird.

Hatte die Erzählung mit dem Atem des Erzählers endgültig aufgehört, dann suchten die Herren Burke und Hare das noch Dunkle aufzuhellen. Sie entkleideten den Unbekannten, bewunderten seinen Schmuck, zählten sein Geld, lasen seine Briefe. Manche Briefschaften waren nicht ohne Belang. Dann legten sie den Toten zum Auskühlen in Mister Hares großen Schrank. Und hier erwies Mister Burke seinen Sinn für das Zweckmäßige: Der Leichnam durfte nicht mehr warm, mußte aber frisch sein, sonst hatte man von dem abenteuerlichen Vergnügen nicht alles, was man haben konnte.

Zu Anfang jenes Jahrhunderts beschäftigten sich die Ärzte leidenschaftlich mit der Anatomie,  aber infolge der Glaubenslehren fiel es ihnen äußerst schwer, sich Leichen zum Zergliedern zu beschaffen.  - Marcel Schwob, Der Roman der zweiundzwanzig Lebensläufe. Nördlingen 1986 (Krater Bibliothek, zuerst 1896)

Wissenschaftsförderung (2) »Sucht Ihr Nachtschmetterlinge, Doktor?«

»Oh, Mylord«, antwortete der Doktor mit dünner Stimme, »oh, oh, nicht eigentlich Schmetterlinge, Mylord. . . Irrlichter, wißt Ihr? Irrlichter . . .«

»Ja, die Irrlichter. Oft habe auch ich mich gefragt, wodurch sie eigentlich entstehen.«

»Schon seit geraumer Zeit ist das in aller Bescheidenheit das Ziel meiner Studien, Mylord. . .«, sagte Trelawney, den dieser wohlwollende Ton etwas beherzter gemacht hatte.

Medardo verzog die ihm verbliebene winklige Gesichtshälfte, deren Haut glatt war wie ein Totenschädel, zu einem Lächeln. »Als Gelehrter verdient Ihr jede Unterstützung«, sagte er ihm. »Nur schade, daß dieser Friedhof in seinem verlassenen Zustande für Irrlichter kein günstiger Boden ist. Doch ich verspreche Euch, daß ich schon morgen mein Bestes tun werde, um Euch zu helfen.«

Der morgige Tag war der Gerichtstag, und der Visconte verurteilte an ihm etwa zehn Bauern zum Tode, weil sie, seinen Berechnungen zufolge, nicht den ganzen Teil der Ernte, den sie schuldig waren, an das Schloß abgeführt hatten. Die Toten wurden auf dem Grund begraben, der für Massengräber vorgesehen war, und so brachte der Friedhof allmählich zahlreiche Irrlichter hervor. Der Doktor Trelawney war ganz entsetzt über diese Hilfeleistung, wenn er sie auch als sehr nützlich für seine Studien erachtete.- (vis)

Wissenschaftsförderung (3) Ein plötzlich wahnsinnig gewordener Friseur, der in seinem Salon in London einem angeblich zur königlichen Familie gehörenden Herzog mit dem Rasiermesser den Kopf abgeschnitten hat und der jetzt in der Irrenanstalt von Reading, die früher das berühmte Zuchthaus zu Reading gewesen ist, lebt, soll sich bereit erklärt haben, seinen Kopf für jene wissenschaftlichen Zwecke zur Verfügung zu stellen, welche seiner Meinung nach in mindestens acht bis zehn Jahren von der Akademie in Stockholm mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden. - Thomas Bernhard,  Der Stimmenimitator. Frankfurt am Main 1978

Wissenschaftsförderung (4)

- Ronald Searle

Wissenschaftsförderung (5)
 

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