urmwächter
Der Wein erweicht des Menschen Herz, dachte der Bürgermeister, ich hätte nimmermehr
geglaubt, daß ich den Vogt so lieb hatte; dann fuhr er fort: »Schade, daß es
so dunkel am Himmel und so weiß an der Erde ist, kein Sternlein ist zu sehen,
das uns ein Zeichen gäbe vom neuen Jahre.« - »Kein Stern«, fragte der
Vogt mit schwerer Zunge, »was sind denn das für ein Paar rote Sterne am Himmelsrande?«
- »Das sind die Fenster des Wachtturmes«, antwortete Herr Steller lachend, »kennt
Ihr die nicht, aber sie leuchten heute wohl heller als sonst, denn da ist Bettelmanns
Hochzeit, der neue Turmwächter, der Martin, hat heute die Witwe des vorigen
geheuratet, weil sie oben zu stark geworden, um die enge Windeltreppe herunter
zu steigen. Wir konnten doch wahrhaftig der Frau wegen nicht den Turm abbrechen
lassen und so mußte sie sich dazu bequemen, sonst hätte sie lieber unsern Schreiber,
den Berthold, geheuratet. Der Pfarrer hat sie oben müssen zusammengeben.« -
»Aber um Gottes willen«, fragte der Vogt, »wie soll die Frau hinunterkommen,
wenn sie erst tot ist, da wird ein Mensch doch noch ungeschickter, als er bei
lebendigem Leibe war.« - »Das wurde sich finden, wie's Sterben, meinte sie«,
sprach Steller, »solch armes Volk lebt in die Zeit hinein, wie's liebe Vieh,
wenn es nur Futter hat. Gute Nacht Gevatter, viel Glück zum neuen Jahre; Ihr
werdet doch allein fortkommen?« So taumelten sie aus einander, der Vogt ging
den beiden roten Sternen nach und der Bürgermeister gab Achtung, daß sie ihm
im Rücken blieben und so führte das Glück der Armen die beiden Reichen wie eine
Vorbedeutung in ihre Häuser heim. -
Achim von Arnim, Die Kronenwächter
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