Trostlosigkeit  Das Trostloseste ist, sagte er, daß jede Liebe stets ein schlimmes Ende nimmt, ein um so schlimmeres, je göttlicher, je leichtbeschwingter sie war, als sie begann. Es gibt keinen Traum, so ideal er auch sein mag, den man nicht mit einem gierigen Säugling an der Brust wiederfände; es gibt keinen Schlupfwinkel, keine noch so entzückende und versteckte Hütte, die nicht dem Pickel zum Opfer fiele. Immerhin handelt es sich da nur um eine Zerstörung von Dingen, aber es gibt eine andere, unerbittlichere und geheimere, die das Unsichtbare befällt. Stellen Sie sich vor, daß in dem Augenblick, in dem Sie sich über den Erwählten Ihres Herzens lehnen und ihm sagen: Laß uns zusammen hinausfliegen und die Tiefe des Himmels suchen! - daß dann eine kalte und unbarmherzige Stimme sich zu Ihrem Ohr neigt, um Ihnen zu sagen, daß unsere Leidenschaften Lügen sind, daß unsere Kurzsichtigkeit es ist, die die schönen Gesichter, und unsere Unwissenheit, die die schönen Seelen schafft, und daß notwendigerweise ein Tag kommt, an dem das Götterbild für den klarer sehenden Blick nur noch ein Gegenstand nicht gerade des Hasses, aber der Verachtung und des Erstaunens ist.  - Charles Baudelaire, Die Tänzerin Fanfarlo. In: C. B., Die Tänzerin Fanfarlo und Der Spleen von Paris. Zürich  1977 (detebe 20387)

Trostlosigkeit (2)   Werde er erst einmal an die Trostlosigkeit dieser Schicksale erinnert, so müsse er sich alles bis ins kleinste Detail vorstellen und ausmalen. Er könne den elektrischen Rollstuhl nicht einfach beiseite schieben, sondern müsse an den Mittwochvormittag denken, an dem der Vater ein letztes Mal nach Hause komme. Obwohl es in Strömen regne und obwohl es sich um einen normalen Werktag handele, seien alle Kinder vollzählig erschienen, zusammen mit ihren Ehefrauen und Ehemännern und mit den Enkelkindern, den jüngeren Enkelkindern, die noch nicht zur Schule müßten, obwohl man sich nachher gefragt habe, ob diese Versammlung von Kindern und Enkelkindern überhaupt im Sinne des Vaters gewesen sei, da der Vater wahrscheinlich nur noch einmal nach Hause habe kommen wollen, um eine Zeit lang im Wohnzimmer zu sitzen und durch die Gardinen in den Regen zu schauen. Er habe einfach nur dasitzen und gar nicht groß Abschied nehmen, sondern nur einfach ein letztes Mal eine halbe Stunde für sich haben wollen in den Räumen, die er nun über vierunddreißig Jahre lang gekannt habe, diese Räume, die genügend aufgeladen seien mit Kindern und Enkelkindern und Erlebnissen, daß die Kinder und Enkelkinder gar nicht selbst anwesend hätten sein müssen, daß die Kinder und Enkelkinder im Gegenteil durch ihre Anwesenheit diese Erinnerung gar nicht zugelassen hätten. So sei der verregnete Mittwochmorgen zu einer eher steifen Angelegenheit geworden. Die Kinder hätten den elektrischen Rollstuhl vorsichtshalber weggeräumt und seien froh gewesen, daß sie nicht auch schon den Treppenlift hätten installieren lassen. Manchmal könne man auch zu eifrig sein, zu voreilig, auch wenn es einem allein darum gehe, alles richtig machen zu wollen und nur keine Lücke entstehen zu lassen zwischen dem alten Leben und dem neuen.  - (rev)
 
 

Trost Mangel

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme