raumproduktion
Es ist beachtlich, daß, lange bevor die kaum mehr umstrittene Theorie
in Umlauf kam, derzufolge der Traum immer die Erfüllung eines Wunsches sei,
ein Mann sich fand, der versuchte, seine Wünsche im Traum praktisch zu realisieren.
Hervey trug es einem Stardirigenten von damals an, sein Orchester systematisch
nur zwei bestimmte Walzer spielen zu lassen, und zwar jedes Mal, wenn er mit
einer von zwei Damen tanzte, denen er herzlich zugetan war, wobei je ein Walzer
einer der beiden Damen sozusagen gewidmet und ihr ausschließlich vorbehalten
war; mit Hilfe einer sinnreichen Konstruktion aus Spieluhr und Wecker, die ihm
zu früher Morgenstunde eines der beiden Musikstücke in gedämpftem Ton wiedergab,
gelang es Hervey, in seinen Träumen die eine Dame oder die andere auftreten
und in dem Schauspiel, das die gleichgültigeren Helden seines Inneren ihm gerade
gaben, die Hauptrolle spielen zu lassen. - André Breton, Die kommunizierenden
Röhren. München 1988 (Rogner & Bernhard, zuerst 1932)
Traumproduktion (2) Wer weissagende
Träume erhalten will, muß sich körperlich wohlbefinden; sein Gehirn
muß von Dünsten und seine Seele
von Leidenschaften frei sein; er muß sich auch an einem solchen Tage des Essens
enthalten, und darf nichts trinken, was ihn berauschen könnte; sein Schlafgemach
soll rein und heiter, auch exorzisiert und geweiht sein; ferner soll er Räucherwerk
anzünden, die Schläfe mit einer Salbe einreihen, Traumringe an die Finger und
ein himmlisches Bild unter sein Kopfkissen legen, in heiligen Gebeten die Gottheit
anrufen und so zu Bette gehen, indem seine Gedanken auf das gerichtet sind,
was er zu wissen wünscht, denn alsdann wird er wahre und unzweideutige Träume
erhalten. - (nett)
Traumproduktion (3) Die Kunst des Träumens ist schwer, denn sie ist eine Kunst der Passivität, in der wir unser Bemühen darauf konzentrieren, uns nicht zu bemühen. Die Kunst des Schlafens, sofern es sie gäbe, wäre gewiß nicht wesentlich anders.
Und wisse: Die Kunst des Träumens ist nicht die Kunst, unseren Träumen eine bestimmte Richtung zu geben; denn Richtung geben hieße handeln. Der wahre Träumer überläßt sich sich selbst, läßt sich von sich selbst in Besitz nehmen.
Meide alle materiellen Anreize. Anfangs wirst du versucht sein zu masturbieren, Alkohol zu trinken, Opium zu rauchen, .... All dies heißt sich bemühen und suchen. Willst du ein rechter Träumer sein, darfst du nur träumen, und nichts sonst. Opium und Morphium kauft man in Apotheken — wie also willst du durch sie träumen können? Masturbation ist etwas Physisches — wie also willst du ...
Träume meinethalben vom Masturbieren, wenn es denn sein muß. Wenn du aber vom Opiumrauchen träumst oder von Morphium, dann laß dich von der Vorstellung an das Opium, ... an das Morphium deiner Träume berauschen — dafür verdienst du Lob: Denn du spielst die ruhmreiche Rolle des vollkommenen Träumers.
Halte dich stets für trauriger und unglücklicher als du bist. Das schadet
nicht. Die Einbildung ist ein wenig wie eine Leiter zum Traum. - Fernando Pessoa, Das Buch
der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares. Zürich 2003 (22. 8. 1931)
Traumproduktion
(4) Mittags aßen Monsieur Mose und seine Tochter immer
nur leichte Kost. Abends dagegen bevorzugten sie schwere, essighaltige, ausgiebig
gewürzte Speisen, geräuchertes oder gepökeltes Fleisch, Pasteten in Terrinen
und Marinaden, Gerichte, die kalt serviert wurden, als wolle man sie noch unverdaulicher
machen. Mit überfüllten Mägen gingen sie dann unverzüglich zu Bett, und der
Schlaf bedachte sie mit Träumen, die dem entsprachen, was sie verzehrt hatten.
›Die Stunde des Theaterbeginns‹, so benannten sie lachend die Zeit des Zubettgehens,
und am Fuß der Treppe wünschten sie einander ein gutes Schauspiel, ehe sie in
ihre Schlafzimmer hinaufgingen. Eine kaum begreifliche Schamhaftigkeit hielt
sie indessen davon ab, einander anzuvertrauen, was sie im Verlauf der nächtlichen,
durch die Unmäßigkeit bei Tisch hervorgerufenen Vorstellungen gesehen und empfunden
hatten oder vermeint hatten, daß es ihnen zugestoßen sei. - André Pieyre de Mandiargues, Der
Diamant.
In: A.P.M., Schwelende Glut. Frankfurt am Main 1995 (st 2466, Phantastische
Bibliothek 323, zuerst 1959)
Traumproduktion (5)
"Erfindung eines Traums"
Traumproduktion
(6) Ich meinesteils, dessen gute Laune vorzüglich abends
unverwüstlich ist, wie man mir einräumen wird, präpariere förmlich die Träume
der Nacht, indem ich mir tausend närrische Dinge durch den Kopf laufen lasse,
die mir dann nachts meine Fantasie in den lebendigsten Farben auf eine höchst
ergötzliche Weise darstellt; am liebsten sind mir aber meine theatralischen
Darstellungen.« »Was meinst du damit?« fragte der Baron. »Wir sind«, fuhr Bickert
fort, »im Traum, wie schon ein geistreicher Schriftsteller bemerkt hat, die
herrlichsten Schauspieldichter und Schauspieler, indem wir jeden außer uns liegenden
Charakter mit allen seinen individuellsten Zügen richtig auffassen und mit der
vollendetsten Wahrheit darstellen. Darauf baue ich denn und denke so manchmal
an die vielfachen komischen Abenteuer auf meinen Reisen, an manche komische
Charaktere, mit denen ich lebte, und da gibt mir denn nachts meine Fantasie,
indem sie diese Personen mit allen ihren närrischen Zügen und Albernheiten auftreten
läßt, das ergötzlichste Schauspiel von der Welt. Es ist, als habe ich mir abends
vorher nur den Can-nevas, die Skizze des Stücks, gegeben, und im Traum würde
dann alles mit Feuer und Leben nach des Dichters Willen improvisiert. - E. T. A. Hoffmann, Der Magnetiseur
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