Totenschrei  Ein langgezogener, stechender Ton in der Nacht, der anschwillt und wieder leiser wird, traurig, aber zugleich süß-verlockend — so wird ihr Gesang beschrieben. Und der »keen« (caoine), der Totenschrei der Bauernschaft, soll eine Nachahmung dieses Gesanges sein.

Wenn die Banshee singt, kündigt sie damit den Tod eines Sterblichen an. Allerdings wird eine solche Vorwarnung ihres Ablebens nur Angehörigen jener irischen Familien zuteil, deren Namen mit »Mac« oder »O« beginnen, was anzeigt, daß es sich um einen Klan handelt, der von den Milesiern abstammt. Die Banshee zeigt sich auf dunklen Hügeln oder Gebüschen in der Nähe des entsprechenden Hauses. Scharf kontrastiert ihre weiße Gestalt und das silbergraue Haar zum Nachtblau des Himmels. Ein grauweißes Gewand aus Spinnweben hängt um ihren dünnen Leib, der vor Kälte oder Trauer zittert und so dünn ist, daß man meint, der Wind müsse ihn zerbrechen. Das Gesicht ist bleich wie das eines Toten, die Augen blutunterlaufen vom endlosen Weinen. »Weiße Frau des Kummers« nennen sie die Leute auch, »Frau des Todes«, »Frau des Friedens« oder » Geist der Luft«, und dabei wird jene ambivalente Aura spürbar, die die Banshee umgibt: der Tod hat seinen Schrecken, aber es wohnt ihm auch ein Anßug erotischer Verlockung inne: Erinnerung an den Glauben der Wiedergeburt der Toten aus dem Schoß der großen Muttergöttin. Unerkannt besucht die Banshee manchmal das Begräbnis des geliebten Toten. Dabei entringen sich ihrer Brust Schreie, die eigentlich unter den übrigen Totenklagen herausgehört werden müßten, weil sie so unwirklich sind, daß sie nicht aus der Brust eines Sterblichen stammen können. Die Banshee heult aber auch in dämonischem Vergnügen vor dem Sterben der Feinde jener großen alten Familien Irlands, und man sagt, sie nähre sich von Haß und Liebe.  - (anders)

 

Tote Schrei

 

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