Todestanz  Es ist so: Johannes Schmidt, Däne, wußte, daß auf den Terrassen eines schwimmenden Elsinor zwischen 20° und 30° nördlicher Breite und 48° und 65° westlicher Länge der wiederkehrende Sukkubus des Sargassomeers mehr war als nur das Phantom eines vergifteten Königs und daß dort, am Ende eines Zyklus langsamer Mutationen besamt, die Aale, die so viele Jahre am Saum der Wasserläufe gelebt hatten, wieder in die Finsternis von vierhundert Metern Tiefe tauchen, von einem halben Kilometer träger, lautloser Dichte verborgen ihre Eier ablegen und sich in einen abermillionenfachen Tod auflösen, Moleküle des Planktons, das von den ersten Larven beim Pochen des unzerstörbaren Lebens sogleich absorbiert wird. Niemand vermag diesen Todestanz der schwarzen Galaxis zu sehen, der zugleich der Tanz ihrer Wiedergeburt ist, ferngelenkte Instrumente werden Schmidt einen heiklen Zugang zu dieser Matrix des Ozeans verschafft haben, aber schon ist Python geboren, die winzigen, öligen Larven, anguilla anguilla, durchbohren langsam die grüne Wand, ein riesiges Kaleidoskop mischt sie unter Kristalle und Medusen und jähe Schatten von Haien oder Walen. Und auch sie werden nun in eine tote Sprache eingehen, man wird sie Leptozephalen nennen, und schon ist Frühling auf dem Rücken des Ozeans, und die Pulsion der Jahreszeit hat in der größten Tiefe die mikroskopischen Myriaden geweckt, so daß sie sich aufrichten, zu laueren und blaueren Wassern aufsteigen, bis in die fabelhafte Höhe, wo sich die Schlange zu uns aufmachen wird, kommen wird mit Billionen Augen Zähnen Rücken Mäulern, unfaßbar, weil zuviel, absurd, denn wie, denn warum, armer Schmidt.  - Julio Cortázar, Das Observatorium. Frankfurt am Main 1989 (zuerst 1972)
 
 

Tanzen Sterben

 

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