Todesstunde   Es ist sehr still im Walde und Rashomon erwacht aus einem langen, tiefen Schlaf. Er geht ein Stück voran auf dem alten Weg und man hört kein Ästlein knacken unter seinen nackten Füssen. Die weisse Frau schiebt den weissen Schleier aus der Stirn zurück und blickt sich um. Kein Laut ist zu hören.

Es ist ein verschlafener Tag. Das Moos glänzt vor Nässe und hat sich satt getrunken wie ein Schwamm. Die Stunde des Todes ist nahe und der Samurai blickt trübe in den Regen. Er hat die Verantwortung für seine Frau zu tragen. Seine Frau zittert wie ein süsser, weisser Pudding in einer feinen Schüssel aus Porzellan. Sie liebt nicht ihren Mann und hätte ihn längst verlassen, aber er ist reich und ein Aristokrat. Sie hat keine Kinder. Ihre Brüste sind ihr zu kostbar, um kleine Tiere zu säugen. Sie reiten und reiten und keine Herberge ist in Sicht. Die kommende Nacht wird gefährlich werden und man findet kein Kissen, um den Kopf darauf zu legen und keine Decke, um sich zuzudecken.  - Unica Zürn, Der Hinterhalt. In: U. Z., Das Weiße mit dem roten Punkt. Texte und Zeichnungen. Frankfurt am Main - Berlin 1988

 

Sterben Stunde

 

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