umpfmetamorphose Das Ende der Nacht beschließt die Verwandlung des Sumpfs; doch dieser Schluß ist vorsichtig, langsam, kompliziert. Nicht selten taucht der Sumpf in einen dichten und weichen Nebel gehüllt aus der Nacht wieder auf, was die Mutmaßung zuläßt, daß sich unter dem Nebel eine Erneuerung seiner Konturen vollzieht; in Wirklichkeit ist der Nebel ein typisches Merkmal des Sumpfs - mehr eine Art Haartracht als ein Schleier, um seine kosmetischen Korrekturen zu verbergen; bisweilen ist da kein Nebel, sondern eine Art Schauer der Gewässer, ein Beben der Lagune, der wäßrigen Dünen; und das erscheint rührend, denn es kommt selten vor, daß man im Sumpf so viel Bewegung bemerkt. Selten, vielleicht nur nach den vulkanischen Nächten, wird die Rückkehr des Sumpfs von einem Getöse, einer Verdunklung der Luft begleitet, so als würde der Sumpf von weither oder vom Grund herauf projektiert und stürzte dort nieder, wo wir ihn dann betrachten; jedenfalls wird das Ende der Nacht als ein Moment dargestellt, der anders ist als die Verwandlungen, die darauf folgen; es ist auch für den Sumpf ein Moment des Beginns, und ich nenne ihn Morgengrauen, auch wenn keinerlei Beziehung zu der Beschaffenheit des Lichts besteht, das nach der Nacht nicht selten zugleich bleiern und blendend erscheint.
Ich habe mich oft gefragt, ob der Sumpf eine Erinnerung an die
nächtlichen Verwandlungen bewahrt und an die Besuche, die sie begleiten; ob
er aus ihnen wie jemand hervorgeht, der sich aus einem Alptraum befreit, jemand,
der ein Verbrechen bereut, oder jemand, der eine schwierige Unternehmung zu
Ende geführt hat, nicht frei von Schrecken, vielleicht Verbrechen; ich frage
mich, ob ich wirklich Zeuge eines Kampfs bin, ob der Sumpf aus einer solchen
Lage als jemand hervorgeht, der eine grausame Auseinandersetzung hinter sich
hat - ein Duell, eine kriegerische Herausforderung, eine Schlacht; ich frage
mich, ob in diesem Augenblick die wiederauftauchenden Zeichen - Zeichen des
Sumpfbilds, Merkmale des verwandelten Sumpfs - auch Zeugnisse eines zermürbenden
Kampfs sind und der gesamte Sumpf sich jetzt als Ort der Wunden, Verstümmelungen
und Verblutungen darstellt; das graue und stagnierende Wasser erscheint mir
wie eine metaphysische Allegorie des Bluts, das die Größe des Sumpfs in diesen
Nächten vergießen muß, um das Rot des Feuers zu bannen; Verbrennungen: vielleicht
ist der Sumpf mit Brandwunden bedeckt, und das, was ich seine Merkmale genannt
habe, sind die Male der Verbrennung eines unerschöpflichen Körpers; ich frage
mich, welche Wunden, dieser Sumpf der obskuren, unbekannten Bevölkerung der
brennenden Berge zugefügt hat, kann das Feuer sich an wundbrandigem Wasser entzünden? - Giorgio Manganelli,
Der endgültige Sumpf. Berlin 1993 (zuerst 1991)
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