prachtrieb
Wer ein feines Gefühl derSprache, ihrer Applicatur, ihres Takts,
ihres musikalischen Geistes hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur
vernimmt, und danach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Prophet
sein, dagegen wer es wohl weiß, aber nicht Ohr und Sinn genug für sie hat, Wahrheiten
wie diese schreiben, aber von der Sprache selbst zum Besten gehalten und von
den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. Wenn
ich damit das Wesen und Amt der Poesie auf das deutlichste angegeben zu haben
glaube, so weiß ich doch, daß es kein Mensch verstehn kann, und ich ganz was
albernes gesagt habe, weil ich es habe sagen wollen, und so keine Poesie
zu Stande kommt. Wie, wenn ich aber reden müßte? und dieser Sprachtrieb zu sprechen
das Kennzeichen der Eingebung der Sprache, der Wirksamkeit der Sprache in mir
wäre? und mein Wille nur auch alles wollte, was ich müßte, so könnte dies ja
am Ende ohne mein Wissen und Glauben Poesie sein und ein Geheimniß der Sprache
verständlich machen? und so war' ich ein berufener Schriftsteller, denn ein
Schriftsteller ist wohl nur ein Sprachbegeisterter? - - Novalis, Monolog
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