Sprachlosigkeit  Sam war aus Mexiko illegal eingewandert, arbeitete als Tellerwäscher, bettelte sich ein paar Kröten zusammen, kaufte sich billigen Wein und verschwand tagelang von der Bildfläche. Dann war er wieder da, wie ein Toter dem Grab entstiegen, kehrte zurück ans Spülbecken, bettelte weiter und versank wieder im vino, den er in einer braunen Reisetasche mit sich herumschleppte. Sein Spanisch war schlecht, und sein Englisch noch schlechter, denn es war immer mit Muskateller getränkt. Niemand verstand, was er sagte, niemanden interessierte es. Er schlief im Keller, wo er es warm hatte und sicher war.

Soviel zu Sam.

Jimmy verstand man ebenso schlecht. Bei ihm lag es nicht am Wein, sondern daran, daß ihm jemand sein Gebiß gestohlen hatte. Seine Zähne, die er umsonst von der städtischen Gesundheitsfürsorge bekommen hatte, waren ihm abhanden gekommen, als er sich, unvorsichtigerweise, eines Nachts für ein paar Cent in einer billigen Absteige eingemietet hatte. Sie wurden ihm aus einem Trinkglas gestohlen, das er direkt neben sein Kopfkissen gestellt hatte. Als er aufwachte, war sein breites, weißes Grinsen für immer dahin. Jimmy kam zahnlos, aber vom Gin beschwingt in das Mietshaus zurück, deutete auf sein rosiges Zahnfleisch und lachte. Der Verlust seiner Zähne, zusammen mit seinem tschechischen Einwandererakzent, machte es unmöglich, ihn zu verstehen. Er legte sich nachts um drei in eine leere Badewanne schlafen, erledigte irgendwelche kleinen Arbeiten, die anfielen, und lachte viel und über nichts Bestimmtes.   - Ray Bradbury, Der Tod ist ein einsames Geschäft. Zürich 1989

Sprachlosigkeit (2)

 

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