elbstbild Jeremy Bentham war ein berühmter Mann mit vielen Anhängern, und es war bekannt, daß er seinen Körper der Wissenschaft vermacht hatte. In London wurden Freunde und Verwandte zu einer Anatomievorlesung eingeladen, die gemäß dem Wunsch des Verstorbenen von dessen Freund, dem Anatomen Southwood Smith, an seinem Körper gehalten werden sollte. Das Testament hatte Southwood Smith zum Empfänger von Benthams Leiche gemacht. Er sollte sie sezieren, das Skelett präparieren und bekleiden und den Kopf trocknen. Der Verstorbene war schon seit zwanzig Jahren im Besitz der Glasaugen, die seinen getrockneten Schädel beleben sollten. Er betrachtete seine eigene Leiche einerseits als von vorübergehendem Nutzen für die Sektion, andererseits aber, falls gut konserviert, als Standbild seiner selbst oder, wie er schrieb, als Auto-Ikone.
Die Leichenrede Southwood Smiths, gehalten während eines heftigen
Gewitters, muß phänomenal gewesen sein, denn er war nebenbei auch Laienprediger,
der seine betuchten Zuhörer auf das gute, vernünftige Beispiel seines toten
Freundes hinwies, der leibhaftig unter ihnen sei. Es war eine Anatomievorlesung
vor Besitzenden und für Besitzende. Danach präparierte er mit äußerster Sorgfalt
das Skelett, fixierte die Gelenke mit Kupferdraht und trocknete den Kopf im
Ofen. Das Endprodukt entsprach wegen mangelnder Ausdruckskraft nicht ganz den
Erwartungen, und so fertigte ein französischer Arzt ein ausdrucksvolleres Wachsmodell
an. Benthams echter Kopf wird Ruth Richardson zufolge, deren Buch ich viele
Details entnommen habe, noch heute im Tresor des Londoner University College
bewahrt. Diesem College hatte Southwood Smith seinen rekonstruierten Freund
geschenkt, das ihn in ein Hinterzimmer stellte. - A. J. Dunning, Extreme.
Betrachtungen zum menschlichen Verhalten. Frankfurt am Main 1992
Selbstbild (2) Würde ein jeder seinen Körper nach den
Angaben seines inneren Auges zeichnen, würden wir eine Galerie von Monstern
bekommen! Ich selbst hätte einen Wasserkopf und einen breiten Hintern, die beiden
Ausbuchtungen wären verbunden durch einen schlaffen Molluskenarm (es fällt mir
schwer, meinen Busen anzunehmen), das Ganze ruht auf zwei Pfählen, die mich
in meinen Bewegungen mehr behindern als tragen. - Catherine Millet, Das sexuelle Leben der
Catherine M. München 2001
Selbstbild (3)
Selbstbild (4) Ich sage, man soll nicht immer
gleich mit Selbstbild und Unglücksbringerei daherkommen, wenn es genug einfache
Erklärungen für etwas gibt. Manchmal geht mir dieses Gerede mit Selbstbild und
ding schon auf die Nerven, wo sich die Leute, denen man ihr viel zu gutes Selbstbild
schon an der Nasenspitze ansieht, immer über ihr viel zu schlechtes Selbstbild
beklagen. Dabei hat ein negatives Selbstbild in den meisten Fällen durchaus
seine Berechtigung, und negatives Selbstbild sogar oft das einzig Positive an
einem Menschen, und das will er auch noch ablegen. - Wolf Haas, Das ewige Leben. Hamburg
2003
Selbstbild (5)
|
||
|
||