chrumpfnase Nun war der kleine Jens innerhalb der Poetenzunft ein Humorist, ein komischer Fabulierer. In allen Erscheinungen des Lebens war es das schrullige, das burleske Moment, das ihn anzog und inspirierte. Der bleichen, ernsten jungen Frau kamen seine Phantasien in einem Sterbezimmer frevelhaft vor, doch schließlich war es sein Sterbezimmer.
»Oh, wie viele Ratten es da gab, Mama«, sagte er, »so furchtbar viele Ratten.
Sie waren überall im Haus. Man wollte sich ein Stückchen Speck vom Wandbrett
holen — schwupp! schon sprang dich eine Ratte an. Nachts sind sie mir übers
Gesicht gelaufen. Leg mal dein Gesicht an meines, und ich werde dir zeigen,
wie sich das anfühlte.« » Hier gibt es keine Ratten, Liebling«, sagte Emilie.
»Nein, hier gibt es keine«, sagte er. »Wenn ich nicht mehr krank bin, werde
ich zurückgehen und dir eine holen. Die Ratten mögen die Menschen mehr, als
die Menschen sie mögen. Denn sie finden, daß wir gut sind und schön schmecken.
Da war ein alter Schauspieler, der wohnte in der Dachkammer. Er hat Komödie
gespielt, als er jung war, und ist in fremde Länder gereist. Jetzt gab er den
kleinen Mädchen Geld, damit sie ihn küßten, aber sie wollten ihn nicht küssen,
weil sie sagten, seine Nase gefalle ihnen nicht. Es war auch wirklich eine komische
Nase — ganz zusammengeschnurrt. Und wenn sie ihn nicht küssen wollten, weinte
er und rang die Hände. Doch dann wurde er krank und starb, und niemand merkte
etwas davon. Doch als sie schließlich zu ihm hineingingen, Mama, da hatten die
Ratten ihm doch die Nase abgefressen! Sonst nichts, nur die Nase! Die Menschen
aber wollen keine Ratten essen, auch wenn sie sehr hungrig sind. Da war ein
dicker Junge im Keller, der fing Ratten auf allerlei merkwürdige Arten und kochte
sie. Die alte Madame Mahler aber sagte, daß sie ihn verachte darum, und die
Kinder riefen ihn Ratz-Matz. « - Tania Blixen, Wintergeschichten. Reinbek bei Hamburg 1989
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