Rekrutierung
(2) Weil nun die Kranken von Nachbarn, Verwandten und Freunden
im Stich gelassen wurden und großer Mangel an Pflegern herrschte, bürgerte sich
der bis zu dieser Zeit ganz unvorstellbare Brauch ein, daß keine noch so reizvolle,
schöne und ehrbare Frau, die von der Pest befallen
wurde, Bedenken dagegen trug, einen Mann, gleich ob jung oder alt, in ihre Dienste
zu nehmen, um, wenn die Not der Krankheit es mit sich brachte, ohne jede Scham
alle Teile ihres Körpers vor ihm zu entblößen wie vor einer weiblichen Pflegerin.
Für manche, die genas, mag dies die Veranlassung für weniger strenge Ehrbarkeit
in späterer Zeit gewesen sein. Doch fanden auch viele dabei den Tod, die bei
richtiger Pflege wohl mit dem Leben davongekommen wären. - Das Dekameron des Giovanni Boccaccio, Berlin und Weimar 1975 (zuerst um 1350)