Primitivismus  Die Primitivisten an die Völker der Welt und an die Polen

der große regenbogenaffe, genannt dionysos ist lange schon verreckt, wir werfen seine faule hinterlassenschaft weg und verkünden

I.    DIE ZIVILISATION MIT IHREM SIECHTUM AUF DEN MIST.
wir wählen die simplizität, die ordinarität, die lebensfreude, die trivialität, das lachen.
vom lachen wird der geist fett und bekommt dicke waden.
wir entsagen freiwillig der würde, dem ernst und dem pietismus.
die loorbeerblätter, die ihr uns windet, verwenden wir als Speisewürze.

II.     WIR STREICHEN DIE GESCHICHTE UND DIE NACHKOMMENSCHAFT AUS.
ebenso das rom tolstois, die kritik, die hüte, indien, bayern und krakow. polen hat der tradition, der mumie des fürsten jozef und dem theater zu entsagen, wir zerstören die stadt, jegliche mechanismen - die flugzeuge, die straßenbahnen, die erfindungen, das telefon. dafür die ursprünglichen Verständigungsmittel, die apotheose des pferdes. einzig zusammensetzbare und bewegliche häuser. die sprache geschrien und gereimt.

III.   die gesellschaftsform verstehen wir als herrschaft der ichtigen idioten und kapitalisten. das ist der fruchtbarste boden für gelächter und die revolution.

IV.    die kriege sollten mit den fäusten ausgetragen werden, mord ist unhygienisch, die frau ist häufig zu wechseln der wert der frau beruht auf ihrer fruchtbarkeit.

V.     DER PRIMITIVE

VI.   kunst ist nur das, was gesundheit und gelächter erzeugt.
DAS WESEN DER KUNST IN IHREM CHARAKTER EINES ZIRKUSSPEKTAKELS FÜR GROSSE MASSEN.
ihre eigenschaften äußerlichkeit und vulgarität, nicht maskierte pornografie. die kunst ist eine wissenschaft.
wir kehren aus der schwülen kneipe der Unendlichkeit die jämmerlichen hysterischen gestalten, genannt poeten, heraus, die hunger, schmerz, lebensfreude, extase, ästhetik, eingebung, ewigkeit erdrückt, anstelle von ästhetik antigrazie. anstelle von extase - intellekt. bewußtes und sinnvolles Schöpfertum.

VII. kreiselnde gegenstände als material der kunst, die theater in zirkusgebäude verwandeln.
musik ist das aufeinanderschlagen zwei einiger körper. alles übrige ist lärm, wir bekämpfen die antifuturistischen geigen und sämtliche stimmen der natur, Straßenkämpfe mit beethovenisten.
die leinwandflecken, genannt bilder, sind von der wand zu reißen, das gesicht die kleidung die unterwasche bemalen, die menschen die häuser die fußwege. plastik gibt es nicht.

VIII. poesie. wir belassen reim und rhythmus, weil sie ursprünglich und befruchtend sind. Vernichtung der die Schöpfungskraft einengenden regeln vorzug der Schwerfälligkeit, willkür der grammatischen formen, der orthografie und der interpunktion in abhängigkeit vom schöpfen mickiewicz ist beschränkt, slowacki ist unverstandenes lallen.
WÖRTER haben ihr gewicht, ihren klang, ihre farbe, ihre umrisse, SIE NEHMEN EINEN PLATZ IN DER EBENE EIN. das sind die entscheidenden werte des worts.

das kürzeste wort (der ton) das längste wort (das buch), die Bedeutung des Wortes ist von untergeordneter bedeutung und hängt nicht von dem ihm zugeschriebenen begriff ab. es ist als AONOMATISCH VERWENDETES klangliches material zu behandeln.

IX.   die hauptsächlichen werte des buchs - das formal und der satz erst nach ihnen - der inhalt. deshalb sollte der poet gleichzeitig sowohl setzer als auch introligator seines buches sein und sollte es überall schreien, nicht deklamieren, zur Verbreitung grammophon und kino, Zeitungen, verwenden, auseinanderfallende gramrno-phone, der Stoff der leinwand, oder die wand als karte eines gemeinsam entzifferten buchs. nur durch poeten redigierte Zeitungen.

X.    WIR LOBPREISEN DEN VERSTAND DESHALB VERWERFEN WIR AUCH DIE LOGIK. SIE IST BESCHRÄNKUNG UND FEIGHEIT DES GEISTS. DER UNSINN IST HERRLICH DURCH SEINEN NICHT ÜBERSETZBAREN INHALT, DER UNSERE WEITE UND KRAFT HERVORHEBT.
angeblich verkündet die kunst unsere liebe zu den menschen und zu allem, wir atmen liebe.

öffnen wir die augen, dann erscheint uns das schwein bezaubernder als die nachtigall und das gga des gänserichs erleuchtet uns mehr als schwanengesang.

gga. das gga meine herren fiel, in die weltarena, windet sich mit seinem doppel - g, das a schreit - das a ist der mund dieses herrlichen und ordinären viehs. eigentlich fresse, schnauze oder rüssel.

Anatol Stern, Aleksander Wat

    - Nach: Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909-1938). Hg. Wolfgang Asholt, Walter Fähnders. Stuttgart Weimar 1995

 

Avantgarde Primitivität

 

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