osaune
»Du scheinst keine Ahnung zu haben, wieviele Arten von Posaunen und Trompeten
es gibt. Nicht mal von Gideons Posaunen scheinst du je was gehört zu haben.
Manche sind aus Messing und manche aus Silber; manche sind große Trichter und
manche sind aus Schafshörnern, ich meine Widderhörnern gemacht. Und in alten
Zeiten, vor Jahrhunderten, liebten die Militärpferde den Schall der Trompeten
- nicht nur die Männer, die auf die Jagd gingen. Dann bäumten sie sich hoch
auf und lachten und zeigten alle Zähne: so, ›Ha-ha!‹, ganz verrückt darauf,
in die Schlacht zu gehen. Und dann hatten auch die Geistlichen Posaunen - Priester
nannte man sie damals -, aber das war lange vor Heinrich VIII. Und die bliesen
sie dann so wie der da oben, wenn Neumond war, und wenn« - er schaute zur Seite,
seine Augenlider senkten sich verstohlen über seine
gewölbten Augäpfel, und seine Stimme verlor sich wieder in Gemurmel - »und wenn
Vollmond war, auch. Und am Ende
wird es Rauch geben und schrecklichen Hagel und Feuer und Skorpione mit Klauen
wie riesige Giftspinnen. Und ein Stern wird kommen, genannt Wermut, und Tausende
und aber Tausende von Männern, die auf Pferden reiten werden, die Köpfe haben
wie Löwen...« Er versank in Schweigen. »Aber über das alles wollte ich eigentlich
gar nicht sprechen. Das kommt eben daher, weil ich zugehört
habe. Und es ist nichts anderes, als was ich gerade gesagt habe, und ich habe
auch genau die Worte behalten.« Er nickte nachdrücklich, als sei er geneigt,
seinem Freund ein einmaliges und kostbares Geheimnis zu verraten: »›Die Posaune
wird erschallen, und die Toten werden auferstehen.‹
Das sind genau die Worte. Und ich verstehe, was sie bedeuten.«
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Walter de la Mare, Die Orgie - Eine Idylle. Phantastische Erzählungen. Mit Zeichnungen von Edward
Gorey. Zürich 1965
Posaune (2)
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