rompete
In den zwanziger Jahren lebte in einem der Bauernhäuser eine alleinstehende
ältere Frau. In der ganzen Umgebung war ihre Furcht vor Dieben und Einbrechern
bekannt gewesen. Über ihrem Bett hatte sie eine Trompete hängen, auf der
sie blasen wollte, wenn sie je überfallen werden sollte in ihrem Haus.
Dieses Signal war mit den Bewohnern der Nachbarhäuser vereinbart gewesen.
Eines Tages kamen zwei wandernde Handwerksburschen,
die in Sattlach neue Stellungen antreten sollten, das Tal herunter. Und
weil sie Hunger verspürten, klopften sie an der Tür der alleinstehenden
Frau an.
Es wurde ihnen geöffnet, und sie fragten, ob sie etwas zu essen
haben könnten. Aber die Frau gab ihnen nichts und schloß nur wortlos die
Tür. Verärgert zogen die beiden Handwerker weiter, bis sie in Sattlach
eintrafen. Sie mieteten sich im Gasthof Sonne — den es noch heute in Sattlach
gab: sogar an der alten Stelle — ein und waren sich rasch einig darin,
daß sie der Alten, die ihnen ein Stück Brot verweigert hatte, in der Nacht
einen Streich spielen wollten. Sie hatten lediglich die Absicht, sie gehörig
zu erschrecken. Wirklich rückten sie in der Nacht aus und wanderten das
Tal wieder hoch. Natürlich wußten sie nichts von der spezifischen Angst
der Frau, noch weniger etwas von ihrer Trompete. Und wäre die Trompete
nicht gewesen, dann wäre die Frau wirklich nur mit dem Schrecken davongekommen.
Die beiden Handwerker, am Haus angekommen, lehnten eine Leiter an das Haus
und stiegen aufs Geratewohl in ein offenes Fenster. Die Frau, aus notorischem
Mißtrauen schlecht schlafend, wachte sofort auf. Und noch ehe sie, die
Trompete in der Hand, an das Fenster geeilt war, um zum Zeichen ihrer Bedrohung
einige Töne von sich zu geben, hatten die Handwerker ihre Situation erkannt.
Sie mußten verhindern, durch die Trompete verraten zu werden, und tatsächlich
gelang es ihnen, die Frau vorerst am Blasen zu hindern. Der Kampf um die
Trompete wurde ein Kampf auf Leben und Tod. Zum Glück hat die Frau nicht
mehr erfahren müssen, daß sie lediglich die Trompete hätte loslassen müssen,
um mit dem Leben davonzukommen. Nach kurzem, heftigem Kampf wurde sie erwürgt.
Am folgenden Tag, als sie nicht wie gewöhnlich aus dem Haus kam, wurden
die Nachbarn argwöhnisch und sahen in ihr Haus. Sie lag tot im Bett, den
Hals entstellt von Würgemalen. Das Fenster war offen, und in der Hand festgeklammert
hielt sie ihre Trompete. Die beiden Handwerksburschen sind noch am gleichen
Tag im Gasthof Sonne festgenommen worden. Eine Magd auf einem Hof, wo die
beiden zuvor um Brot gefragt hatten, erinnerte sich ihrer; sie waren die
einzigen Personen gewesen, die am Tag des Geschehens durch das Tal gekommen
waren. Sie gaben das Verbrechen sofort zu; sie schilderten ausführlich
die Mißverständnisse und die Vorgeschichte, aber wenige Wochen später wurden
sie hingerichtet. - (
absch
)
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