asenbohren  Wir gleiten im Motorboot auf der still im Dunkel sich breitenden Fläche durch dichtes Inselgewirr. Es ist grün, blau, angenehm und amüsant. Wir legen an einer Haltestelle an, und ein Mädchen steigt ein, das ... Wie soll man sagen? Schönheit hat ihre Geheimnisse. Es gibt viele schöne Melodien, aber nur einige sind wie eine würgende Hand. Diese Schönheit war so »packend«, daß allen sonderbar und vielleicht auch schamhaft zumute wurde - und niemand wagte, sich anmerken zu lassen, daß er es betrachtete, obwohl es kein Auge gab, das nicht seine blendende Gegenwart heimlich bespähte.

Da begann das Mädchen in aller Ruhe in der Nase zu bohren. - (gom)

Nasenbohren (2)  Wie üblich,  wie immer,  im letzten Krieg zur Arbeitsstelle.  Dienstverpflichtet. Luftwaffenzweigstelle. Stand an der Haltestelle der Straßenbahn,  die Verspätung hatte,  wie alles im Leben. Hatte nie Langeweile,  war niemals in Eile.  Hatte daher viel Zeit und popelte sich mit dem Finger in der Nase. Kommt der Betriebsleiter auf Salutor zu und spricht also:" Salutor,  Sie können doch nicht am hellichten Tage in dieser schweren Kriegszeit einfach sich in der Nase popeln. " Salutor sagt:" Aber Herr Betriebsrat! Darf ich Sie höflich belehren. Sehen Sie mal richtig hin,  wenn Sie zwei Augen haben. Wird Ihnen alles klar?  Das,  was ich jetzt tue,   - ich tue es öffentlich,  mit reinem Gewissen,   - ist kein sogenanntes Nasepopeln,  sondern der berühmte nationalsozialistische Reichssport. Kapiert, Herr Betriebsrat?  Heil Hitler." "SS-Mann, festnehmen den Mann! Verunglimpfung der nationalsozialistischen Bewegung!"

Salutor wird abgeführt.
Doch Salutor das gar nicht stört.
Er tröstet sich ganz ungeniert,
Daß jeder doch einmal krepiert.

  - Friedrich Schröder Sonnenstern, Moralische Fresserei, aus: F.S.-S., Trostlied für Aus- und Angebombte. Hg. Gerhard Jaschke. Wien 1981

Nasenbohren (3)

Nasbohrende Nymphe Calypso
 

In ihrem Feenschloß auf der Insel Ogygia gelang es der Meeresnymphe Calypso, den durch wilde Stürme verschlagenen Odysseus sieben Jahre an sich zu fesseln. Sie bot ihm - neben ihrer sinnlichen Liebe - Unsterblichkeit und ewige Jugend an, wenn er für immer bei ihr bliebe; ihn aber verzehrte das Heimweh nach Ithaka, so daß er sich lieber den Tod wünschte. Auf dringliche Vorstellungen der Athene sandte Zeus durch Hermes der Calypso den Befehl, den Geliebten freizugeben; und daraufhin mußte sie ihm sogar Holz und Werkzeug für den Schiffsbau zur Verfügung stellen. Nach späteren Sagen hatte Calypso von Odysseus zwei Söhne. In Daumiers Karikatur ist von der Anmut der Zauberfee nicht viel übriggeblieben. Eine plump und schwer gewordene Matrone bietet ihre dürftig verhüllten Reize dem Meer dar, über das ihr der Geliebte entschwunden ist. Ihn zu vergessen, gelingt ihr nicht. Darüber ist sie, die in der antiken Mythologie ewige Jugend zu verschenken hatte, selbst alt geworden. Mit tief geränderten Augen, in der romantischen Pose der Melancholie schaut sie - parallel zum Horizont des Meeres - in die leere Ferne und bemerkt wahrscheinlich nicht einmal, daß ihr Daumier zur Irritation den kleinen Finger der aufgelümmelten linken Hand wohl deshalb in die Nase gesteckt hat, um sie darin puhlend Trost finden zu lassen.   - (dau)

Nasenbohren (4)

- Oliver Ottitsch

Nasenbohren (5)

Nasenbohren (6)  Anselm blinzelt immer wieder zu dieser beträchtlichen Kuh, schläft die, nein, die, was die da tut, die bohrt, in, der, Nase, zuerst wagt sie's nicht so recht, traut den Schläfern nicht ganz, knabbert nur so am unteren Rand, der Finger, ein Kaninchen, noch scheu, schnell hin und gleich wieder weg, aber die Nase ist damit nicht zufrieden, der Finger auch nicht, wahrscheinlich hat sie jetzt zwei Zonen in der Nase, unten ausgeschabt und befriedigend gebohrt, weiter oben noch die Spannung des Unberührten, vom anderen, noch ganz unbebohrten Nasenloch, gar nicht zu sprechen, also ich schlafe, von mir aus, mein Fräulein, bitte, und sie kommt auch schon, klar, das hält kein Asket aus, eine angefangene Nase, das muß behoben werden, ich lasse den Kopf vom Wagen geschau kel mitnehmen, sie soll sich sicher fühlen, sie fühlt sich sicher, sie bohrt, wird immer gieriger, schaut gar nicht mehr zu mir her, dreht den Blick einwärts auf ihren bohrenden Finger, fabelhaft sieht sie aus, der Mund zerfällt, sie wehrt sich nicht mehr gegen die Schienenstöße, macht das Ratata mit, liegt schon mehr als sie sitzt, so kommt sie offenbar leichter hinein und hinauf, er muß sich arg zusammennehmen, den Schlafenden spielen, sonst unterbricht er dieses Naturereignis, das seinen Höhepunkt hat wie alle natürlich verlaufenden Naturereignisse, eine fast wütende Anstrengung ihrerseits, sie erreicht etwas nicht in der Nase, was sie - will sie weiterleben - sofort erreichen muß, sie streckt sich, schert den Ellbogen aus, streckt sich noch mehr, die grünen Schuhe biegen sich quer auswärts, der Leib starr gerade über den Sitzwinkel, das Gesicht kämpft, der Kopf biegt sich nach hinten, dann hat sie's, Gott sei Dank, sie hat es, fällt zusammen, wird ungeheuer klein, ein Nest von Gliedern, schläft ein, der Zeigefinger, der alles verrichtete, liegt ein bißchen weniger krumm als die anderen Finger, sie atmet, ruhig, durch die schöne Nase, die noch zweimal zuckt, als träume sie jetzt davon.  - Martin Walser, Das Einhorn. Frankfurt am Main 1966

Nasenbohren (7, gegenseitiges)

- Über Neznose

Nasenbohren (8)

 

Nase

 

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