Naturwille  Wir fanden auch Völker, welche beispielsweise auf Inseln lange Epochen verbringen, das Leben dabei nach innen in immer erneuten Schwierigkeiten und Differenzierungen aufbauen, um in sich zu einer ganz hohen Intelligenzspannung zu kommen, welche zur Entfaltung explosivster Art wird, sobald eine Gelegenheit besteht, aus der insularen Lage befreit zu werden. Vergleicht man aber dann wieder verschiedene Tatsachen miteinander, so kommt man auf gewisse Einheitlichkeiten. Menschenvölker, so kann man sagen, neigen (unter Anweisung ihrer Landesnatur) zu sehr langfristiger Selbstunterdrückung. Die Befreiung aus derselben geschieht zu Zeiten mit äußerster Vehemenz, und zwar auf dem Wege der Verstreuung oder des Todes. Bodenflucht ist ein wichtiger Antrieb im Völkerleben.

In diesen Vorgängen erkennen wir Gewolltheiten der Natur. Wir werden nicht darauf bestehen, die Armenier beispielsweise für ein auserwähltes Volk zu halten, und so ein bestimmtes Gottesgnadentum noch zu unsrem von Anthropomorphismus nicht ganz freien Naturbegriff hinzufügen, aber wir werden den biologischen Grundbegriff ganz einheitlich und so definieren, daß die Natur den Menschen nicht biologisch den Weg des geringsten Widerstandes gehen und in Verfall geraten läßt, sondern daß sie mit ihm einen sichtbaren Weg verfolgt und über künftige Zeiten weiterverfolgen wird, so daß er eben dieser biologischen Grundtendenz unverändert wird gehorchen müssen. Dieser Weg ist nun keineswegs heroisch schlechthin, sondern er ist geistig heroisch. Er läßt erkennen, .daß die physischen Fähigkeiten degenerieren sollen zugunsten der Psyche, und diese Psyche wiederum zeigt ihre allereinfach-ste Entwicklung darin, daß alle denkbaren Volksgruppen auf getrennte Errungenschaften ausgeschickt wurden, dann aber so weit wieder vereint, zusammengekreuzt, überzeugt werden sollten, daß ein Einzelner durchaus die Erlebnisse der Vielen in sich bergen mußte.

Wir könnten sagen, daß sich die den Alten nachgesagte Natur der Imitation, die sich sichtbar ewig erhielt, fortsetzte in der Aufgabe einer ungeheuren seelischen Erweiterung.

Haben wir diese Grundlinie eingesehen, so erkennen wir mühelos, daß sie mit dem religiösen Wissen aller Zeiten in hohem Grade übereinstimmt, aber wir werden uns alsdann auch bewußt, daß wir auf der einen Seite diesen Grundwillen der Natur bis auf das Äußerste weiter verstehen sollen, dann aber auch in keinem Fall verkennen dürfen, daß eine so unermeßliche Aufgabe nicht in reiner Kontinuität durchgeführt werden kann, sondern daß diese, wie alle Naturerscheinungen, den Gesetzen des Yin und Yang unterworfen ist, so daß wir Perioden großen Aufschwunges erkennen werden und auf sie folgend genauso plötzliche Verengungen, Rückfälle, Ängste ganzer Völker, sich selbst zu verlieren in dieser unerhörten Aufgabe des Ineinander-Aufgehens. Aber solche Ermüdungserscheinungen und Schwächeanfälle sind eben unter dem Gesichtspunkt der millennaren biologischen Tatsachen das Unwichtigste und zugleich das, was aus der Kraft einer solchen Einsicht heraus mehr und mehr zu überwinden sein wird, denn Schwächezustände ergeben sich, wie beim Einzelmenschen und beim Volk erkennbar, aus dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, die wieder zur Hauptsache der Mangel an Sicht ist.   - Ernst Fuhrmann, Was die Erde will - Eine Biosophie. München 1986 (zuerst 1930)

Natur Willen

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