Nachtleben  Jeder dieser befreiten Sklaven schien mit voller Lautstärke zu schreien oder zu jaulen; dazu schlugen sie, in Ermangelung ihrer gewohnten Trommeln, mit Stöcken auf die Kochtöpfe.

Außerdem hatten sie riesige Feuer angezündet, um die sie auf eine unheimliche und widerliche Art herumsprangen, so daß ich an eine mittelalterliche Darstellung der Hölle erinnert wurde, die ich einmal in einem alten Buch gesehen hatte.

Schließlich konnte ich es nicht länger ertragen, stieß Hans, der mir zu Füßen zusammengerollt wie ein Hund schlief, mit dem Fuß an und fragte ihn, was da unten los sei. Seine Antwort ließ mich bedauern, diese Frage gestellt zu haben.

»Viele von diesen Sklaven sind Kannibalen, Baas. Ich denke, sie essen jetzt die Araber, und sie schmecken ihnen sehr gut«, sagte er gähnend und schlief sofort wieder ein.   - Henry Rider Haggard, Die Heilige Blume. München 1985 (zuerst 1915)

Nachtleben (2) In der Nacht schläft die Lehrerin Santoni nicht. Hinter den geschlossenen Fensterläden des Wohnzimmers, die ausgerechnet auf den größeren Garten hinausgehen, bewacht sie ihre Bäume, um sie bei ihrem geheimen nächtlichen Leben zu ertappen. Sie wartet lange, lange Stunden, in die hin und wieder ein wenig Leben kommt, weil sich rauflustige Katzen einstellen, ein Igel umsichtig auswandert, ein Käuzchen klagend ruft, die Möbel knarren und der Holzwurm nagt. Über den Rasen ziehen Nebelschwaden. Der Mond hat Verspätung. Da geht er auf, ein feuchter schwacher Schimmer. Und genau bei diesem Licht scheinen die Bäume wie auf ein Signal zu erwachen und in aller Stille ihre Wurzeln abzuschütteln. Da bewegen sie sich alle fünf bald mit verschmitzter Langsamkeit, bald mit kurzen, raschen Rucken die vier Seiten des Rechtecks entlang. Die Linde ist an der Reihe, sich in der Mitte zubewegen, sie läuft auf eine Ecke zu, die im Spiel einen Augenblick frei bleibt, um sie zu besetzen, aber dann muß sie wieder zurück und die Eroberung einer anderen Ecke versuchen.

Nun lächelt die Lehrerin Santoni über sich selbst und über ihre Kolleginnen, auch über die furchtbare Kollegin Ambrosoli und über die Ärzte, über die praktischen und die Spezialisten, aber vor allem über das, was sie sieht, und sie ist sich ganz sicher, daß sie nicht phantasiert oder träumt. »Es ist wirklich so«, murmelt sie, »die Bäume spielen ›Bäumchen, Bäumchen, wechsle dich‹. Und warum auch nicht? Was wissen wir eigentlich von den Pflanzen? Haben wir uns je über ihre Zukunftspläne informiert? Und wenn das Pflanzenreich danach streben würde, in das Tierreich aufzusteigen?«   - Gianni Rodari, Das fabelhafte Telefon. Wahre Lügengeschichten. Berlin 1997 (Wagenbach Salto 65, zuerst 1962)

Nachtleben (3)  
 

Nacht Leben

 

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