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(kas)
Essen (2)
1
Die Welt ist nichts ohne Leben. Was lebt, ißt.
2
Die Tiere fressen, der Mensch ißt, der Mann von Geist versteht die Kunst zu essen.
3
Das Geschick der Nationen hängt von ihrer Nahrung ab.
4
Sage mir, was du ißt, und ich will dir sagen, was du bist.
5
Der Schöpfer nötigt uns zu essen, um zu leben: Appetit ist die Einladung, Genuß die Belohnung.
6
Feinschmeckerei ist ein Akt unserer Urteilskraft: was angenehm schmeckt, das wählen wir.
7
Das Tafelvergnügen gehört jedem Alter, jedem Stande, allen Ländern und Zeiten; es schließt sich allen anderen Genüssen an und bleibt am Ende, uns über deren Verlust zu trösten.
8
Nur an der Tafel ist gleich die erste Stunde amüsant.
9
Die Entdeckung eines neuen Gerichtes beglückt die Menschheit mehr als die Entdeckung eines neuen Gestirnes.
10
Fresser und Säufer dilettieren in der Kunst des Essens und Trinkens.
11
Die Folge der Speisen geht von den schwereren zu den leichten.
12
Die Folge der Getränke geht von den leichteren zu den schweren.
13
Wer behauptet, man dürfe den Wein nicht wechseln, ist ein Ketzer; die Zunge stumpft sich ab, nach dem dritten Glase verliert der beste Wein seine Eigenheit.
14
Ein Dessert ohne Käse gleicht einer einäugigen Schönen.
15
Man wird Koch. Zum Bratkünstler ist man geboren.
16
Pünktlichkeit ist die oberste Tugend des Kochs; es sollte auch die des Gastes sein.
17
Einen Unpünktlichen zu lange erwarten, heißt alle pünktlichen Gäste verletzen.
18
Wer seine Freunde empfängt und sorgt nicht persönlich für das Mahl, verdient keine Freunde.
19
Die Herrin des Hauses soll sich stets versichern, daß der Kaffee, der Herr, daß die Weine erstklassig sind.
20
Jemand zu Gaste laden, heißt für sein Glück
sorgen, solange er unter unserm Dache weilt. - (
bri
)
Essen (3) Was ist denn dieses kostbare
Etwas in unserer Nahrung, das uns vor dem Tode bewahrt? Das ist leicht zu beantworten.
Jeder Vorgang, jedes Ereignis, jedes Geschehen - man kann es nennen, wie man
will, - kurz alles, was in der Natur vor sich geht, bedeutet eine Vergrößerung
der Entropie jenes Teiles der Welt, in welchem es vor sich geht. Damit erhöht
ein lebender Organismus ununterbrochen seine Entropie - oder, wie man auch sagen
könnte, er produziert eine positive Entropie - und strebt damit auf den gefährlichen
Zustand maximaler Entropie zu, der den Tod bedeutet. Er kann sich ihm nur fernhalten,
d.h. leben, indem er seiner Umwelt fortwährend negative Entropie entzieht -
welche etwas sehr Positives ist, wie wir gleich sehen werden. Das, wovon ein
Organismus sich ernährt, ist negative Entropie. Oder, um es etwas weniger paradox
auszudrücken, das Wesentliche am Stoffwechsel ist, daß es dem Organismus gelingt,
sich von der Entropie zu befreien, die er, solange er lebt, erzeugen muß. - Erwin
Schrödinger, nach
(lte)
Essen (4) Was das Essen betrifft, so müssen wir sagen, daß zum vollständigen Begriffe des Essens vier Dinge gehören: Zerteilung der Speise im Munde und Beförderung in den Körper; dann die Kraft des Körpers, der fähig ist zu verdauen, und viertens, die geeigneten Nahrungsstoffe dem Körper zuzuführen und das Überflüssige auszuscheiden. Alle Engel können beim Essen in den angenommenen Körpern das erstere und zweite tun, das dritte und vierte aber nicht, sondern an Stelle der verteilenden und ausscheidenden Kraft steht eine andere, durch welche die Speise sofort in die vorliegende Materie aufgelöst wird.
Auch Christus hatte wirkliches Essen, indem er die
nährende und teilende Kraft besaß, aber er verbrauchte die Speise nicht für
seinen Leib, da diese Kräfte, wie auch der Leib verklärt waren; darum ward auch
die Speise im Körper sofort aufgesaugt, wie wenn man Wasser ins Feuer gösse.
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Jakob Sprenger, Heinrich Institoris: Der Hexenhammer. München 1985 (dtv klassik,
zuerst 1487)
Essen (5)