Beizeiten lernte ich es, in die Worte, die eigentlich Wolken waren, mich zu mummen. Die Gabe, Ähnlichkeiten zu erkennen, ist ja nichts als ein schwaches Überbleibsel des alten Zwanges, ähnlich zu werden und sich zu verhalten. Den übten Worte auf mich aus. Nicht solche, die mich musterhaften Kindern sondern Wohnungen, Möbeln, Kleidern ähnlich machten. Ich war entstellt von Ähnlichkeit mit allem, was um mich war. Ich hauste wie ein Weichtier in der Muschel im neunzehnten Jahrhundert, das nun hohl wie eine leere Muschel vor mir liegt. Ich halte sie ans Ohr. Was höre ich? Ich höre nicht den Lärm von Feldgeschützen oder von Offenbachscher Ballmusik, nicht einmal PferdetrappeIn auf dem Pflaster oder die Fanfaren der Wachtparade. Nein, was ich höre, ist das kurze Rasseln des Anthrazits, das aus dem Blechbehälter in einen Eisenofen fällt, es ist der dumpfe Knall, mit dem die Flamme des Gasstrumpfs sich entzündet, und das Klirren der Lampenglocke auf dem Messingreifen, wenn auf der Straße ein Gefährt vorbeikommt. Noch andere Geräusche, wie das Scheppern des Schlüsselkorbs, die beiden Klingeln an der Vorder- und Hintertreppe; endlich ist auch ein kleiner Kindervers dabei.
»Ich will dir was erzählen von der Mummerehlen.«
Das Verschen ist entstellt; doch hat die ganze entstellte Welt der Kindheit darin Platz. Die Muhme
Rehlen, die einst in ihm saß, war schon verschollen als ich es zuerst
gesagt bekam. Die Mummerehlen war noch schwerer aufzutreiben. Lange stand mir
das Rautenmuster für sie ein, das auf dem Teller in einem Dunst von Graupen
oder von Sago schwamm. Ich löffelte mich langsam darauf zu. Was man von
ihr erzählt hat? oder mir wohl nur erzählen wollte? weiß ich
nicht. Sie selber vertraute mir nichts an. Sie hatte vielleicht fast keine Stimme.
Ihr Blick fiel aus den unentschlossenen Flocken des ersten Schnees. Hätte
er mich ein einziges Mal getroffen, so wäre ich mein Lebtag getrost geblieben.
- (
ben2
)