äusetod   Zwischen den beiden Tieren entwickelte sich ein erbitterter Kampf, übertönt vom schrillen Piepsen der Maus; offenkundig setzte sie sich gegen ihre große Gegnerin recht übel zur Wehr, weil diese, um die Unversehrtheit der eigenen feuchten Schnauze besorgt, sich nicht entschließen konnte, sie ganz mit dem Maul zu packen, sondern nach einem heftigen Biß eiligst ihren Kopf zurückzog. Aller Wahrscheinlichkeit nach wehrte sich die Maus, die zur Hälfte durch die Latten geschützt war, also ihre empfindlichsten Stellen in Sicherheit hatte, nur mit ihren schrecklichen Beißwerkzeugen. Und da sie schließlich ihre Stellung nicht mehr halten konnte, täuschte sie die Hündin mit einer geschickten Finte und raste in den Hof.

Die Hündin erholte sich rasch von ihrer Verblüffung und setzte ihr wütend nach, wobei sie über die Kerze sprang, so daß diese verlöschte. Zwei ihrer Sätze kamen vielen Mäuseschrittchen gleich, also währte die Verfolgung im Hof nicht lange.

Federico, an allem nur unbeteiligter Zeuge, trat ebenfalls hinaus; das Hündchen, das die Maus nur mit den Vorderzähnen in der Körpermitte gepackt hatte, schüttelte sie mit Macht in Kopfhöhe, um sie zu betäuben und auch durch die heftige Bewegung daran zu hindern, sich in seine empfindlichen Hautstellen zu verbeißen; dann ließ es sie fallen, um den Erfolg festzustellen. Jene, zerbrochen und gar übel zugerichtet, wollte sich nach kurzer Regungslosigkeit fortschleppen, doch die Hündin ging wieder auf sie los; aber es waren dies die heikelsten Augenblicke für ihre bebende Sensibilität, denn die Maus verkaufte ihr Leben teuer, hatte sich auf den Rücken geworfen (ihre Kampfstellung) und verteidigte sich nach Kräften mit Zähnen und Händen (eine Maus hat richtige weiche Hände). Zudem ist nicht auszuschließen, daß eine gewisse Abscheu das Hündchen vor einem Vernichtungsangriff zurückhielt oder die kleine, mit harten Barthaaren gespickte Schnauze durch ihre Suggestivwirkung an dessen Nerven rüttelte.

Hier nun wurde Federico gewahr, daß die Maus bei ihren Fluchtanläufen und ihrer Notwehr so etwas wie eine lange Schnur von mattem Glanz hinter sich herzog, die sich bisweilen um ihren Körper wand und andere Male in ihrer ganzen Länge durch den Bodenstaub schleifte, so daß sie schon bald auch das wenige an Glanz verlor. Als er sich bückte und in dem Ungewissen Mondlicht näher hinsah, konnte er einen Darm erkennen und war erstaunt über dessen Länge und Dünnheit. Von einer Art Grauen ergriffen, lief er ins Haus und machte ein Licht im Hof: tatsächlich, es war ein inzwischen fast bis zur Unkenntlichkeit verstaubter Darm, der sich nicht von dem Tier lösen wollte und wie eine Nabelschnur von ihm weghing. Aber jetzt, bei einem der letzten Fluchtversuche, verhedderte er sich an einem hervorstehenden Stein und riß mitten entzwei; und ein langes Stück folgte noch dem kleinen Körper in seinen letzten Qualen.

Die Maus war endlich bezwungen und lag nun komisch da, das Hinterteil mit dem Bauch und das Vorderteil seitlich zur Erde, so daß sich die vorderen Händchen parallel zum Boden befanden und die hinteren verzweifelt und wie zerquetscht auseinanderstanden; der Körper zuckte konvulsivisch im Todeskampf, das Mäulchen hechelte. Federico konnte solchen Anblick nicht ertragen und forderte seine Hündin auf, endlich Schluß zu machen; doch diese, jetzt zufriedengestellt, wollte kein Einsehen haben: ihre Feindin war geschlagen, warum dann noch den eigenen zarten, empfindlichen Hals riskieren? Federico holte eine Ofenschaufel und gab sich alle Mühe, die Maus zu erschlagen. Auf den Kopf wollte er sie nicht treffen, um kein Blut zu verspritzen, aber er stellte fest, daß anderswo das fette weiche Fleisch unter seinen Schlägen nachgab: die Maus schien keine Knochen zu besitzen, wand sich weiterhin unter Qualen und anscheinend bei vollem Bewußtsein, scharrte auch manchmal mit einer Hand auf dem Boden; ihre dunklen und glänzenden, ein wenig hervorgetretenen Augen waren ganz ausdruckslos. So auf die Seite hingestreckt, schien sie sich einer resignierten und blutigen Wehrlosigkeit zu überlassen; und doch deutete ihr Hinterteil Fluchtbewegungen an. Was Federico beeindruckte, war das unschuldige Aussehen dieses Körpers.

Die Qual ging weiter, und er wollte ihr ein Ende machen: nahm also die Schaufel senkrecht und drückte sie ihr lange auf den Hals. Erfolglos: der Hals bot keinen Widerstand und ergab sich wie der übrige Körper, man fühlte nicht einmal Halswirbel unter der dicken Verpackung schlaffen Fleischs; nur entblößten sich durch das Verziehen der Haut die winzigen Zähne zwischen den indessen herabhängenden Barthaaren, und beim Wenden des Kopfes öffnete sich ein wenig das Mäulchen zu einem V und hatte einen Ausdruck unsagbarer Lieblichkeit. So glich die Maus einem Kind, das nahe am Weinen ist, doch ohne Traurigkeit. Es schien sogar, daß sie sich in voller Absicht so gab. Federico war verzweifelt und forderte noch einmal die Hündin auf, die nun einverstanden war: ein unheimliches Knirschen machte dem irdischen Dasein unserer Maus ein Ende. Der Hund hatte ihr den Kopf zerbissen. - Tommaso Landolfi, Hände, nach (land)

 

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