Klaffen  Die Landschaft war wie vom Donner gerührt. Es war etwas anderes, ein Gewitter, selbst wenn es sich nicht entlud, konnte nicht einen so erstickenden Dunst hervorrufen; vielmehr war es, als ob irgendein gewaltiger Schlag das Dach der Nacht abgeschnitten hatte, die Dunkelheit - ihre Kuppel, unter der plötzlich alles ruhig war, und solche Stille auf einmal, als werde alles nach und nach mit dämpfenden Stoffen bedeckt - klaffte auf, Blut schien aus dem Weltraum zu dringen und übergoß, bis in jeden Winkel, alles mit dem Flor seines düsteren Widerscheins. Nur einzelne Betonblöcke, gesprengten Fundamenten gleich, ragten noch schwarz aus dem Glimmen, doch schienen sie plötzlich ihre Lage verändert zu haben . . . einige von ihnen waren verschwunden, andere dafür neu aufgetaucht, oder vielleicht ließ das wechselnde Licht auch nur ihre Schatten wandern. Ein riesenhafter Mond stieg unversehens hinter einigen Bodenwellen hervor, und im Augenblick zeigte sich  deutlich  die Grenze, die der beängstigend nahe Horizont bildete. Für kurze Zeit nur durchfurchten die Wirren von Gräsern und Gestrüpp das orangerot rollende Antlitz der Kugel, dann schwebte sie schwerelos, und wie von einer unsichtbaren Mündung abgeschossen, wenige Meter über dem Ende der Erde. Nun schienen in der Gegenrichtung, auf der dem Mondaufgang abgewandten Seite, riesige Schwaden von Qualm oder Dampf zu fallen, ein schwerer fetter Sprühregen, der Gräser und Steine mit einem Niederschlag winziger öliger Tröpfchen übersäte, mit einer zähen trüben Lauge, die, als sie herabsank, im Nu alle Luftbewegungen erstickte; danach sank der atmosphärische Druck auf ein Mindestmaß, als habe sich irgendwo ein Vakuum aufgetan, dann trat stumme Reglosigkeit ein. - Wolfgang Hilbig, Alte Abdeckerei. Frankfurt am Main 1991
 
 

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