ntelligenz,
jüdische Oft treffe ich auch besondere Typen: Während in Warschau
bei der polnischen Stadtbevölkerung die dunkle Farbe überwog - ich denke: sie
haben sich assimiliert an die Juden -, haben hier viele sehr helle Haut, kurze
stumpfe Nasen mit aufgerichteten Nasenlöchern,
breite platte Stirnen, kurze Gesichter. Ich würde sie ohne Tracht für polnische
Bauern halten. Ich spreche einen Achtzehnjährigen, mit Mörtel auf dem Hut und
den Schultern, er sucht mit mir Geschäfte zu machen. Er hat in den alten Schulen
gelernt; seine Unwissenheit ist grausig. Er fragt mich, ob Belgien bei Wien
liegt. Er ist dabei gerissen. Von mir will er hören, wie ich über die ganze
Welt denke. Er selbst findet: «Gott hat die Welt gemacht, das ist sicher. Ein
Haus hat der Mensch gemacht, das weiß man. Ein Mensch hat einen Vater, sein
Vater wieder einen Vater, aber zuletzt? Und dann die ganze Erde? Ich halte mich
daran, was mein Vater und Großvater selig gedacht hat.» Er ist ganz wie ein
Dorfkind, neugierig, gleich auf alles aus, dabei konservativ und mißtrauisch.
Intelligenz ist etwas Ethnologisches; die Völker haben verschiedene Intelligenzen.
Aber einiges, was zur Intelligenz gehört, macht die Lebensweise. Man sagt den
Juden Intelligenz schlechtweg nach. Die Ostjuden sind wirklich scharf, man darf
sich vor ihnen nicht gehenlassen, sie sind mit Wonne polemisch und überlogisch.
Das Formale liegt ihnen. Sie verhalten sich aber intensiv ablehnend gegen Fremdes,
und das entspringt ihrer Abschließung. Sie lehnen ab und können auch nicht annehmen;
sie sind blind; ihnen fehlt die Einsicht in viele Dinge und Zusammenhänge. Es
ist etwas Plumpes und durchaus Bäuerliches, Bäuerisches. - Alfred Döblin, Reise
in Polen. München 1987 (zuerst 1925)
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