Deroen, hellenische    Er läßt den toten Achilleus, der am Straßenrand liegt, die von Hephaistos geschmiedete Rüstung abnehmen, sie auf die Fahrbahn bringen und dort ablegen. Das erledigen die Krieger der Griechen. Einer von ihnen muß nun ausrufen, daß man beschlossen habe, sie dem tapfersten Helden vor Troja zuzusprechen. Die Atriden wählen aus ihren Reihen ein Schiedsgericht und auf die Anweisung Heinz von Steins muß nun Odysseus das Gericht bestechen. Das soll im Flüsterton geschehen. Heinz von Stein läßt diese Szene mehrmals wiederholen. Beim siebtenmal klappt es, Die Bestechung ist perfekt. Das Gericht spricht nun die Rüstung dem Odysseus zu, verkündet die Entscheidung im Chor, woraufhin dieselbe von einem strahlenden Odysseus abgeholt wird, der sich in einem Hauseingang mit ihr zu schaffen macht. Heinz von Stein läßt es wörtlich Nacht werden und wörtlich die Sonne aufgehen. Im Morgengrauen legt er den Beißkorb ab, zieht sein Schwert und bricht auf, um die Atriden und vor allem Odysseus zu ermorden.

Vorher brüllt er aiai. Er wiederholt das Gebell. Aber in diesem mordlüsternen Augenblick läßt er Psychotherapeuten einfliegen, die landen und von Odysseus und den Atriden begeistert begrüßt werden. Jeder von ihnen muß sich in das goldene Buch der Stadt München eintragen, bevor er Heinz von Stein mit allen seinen Fachkollegen umringen darf, welcher derart seine eigene Erlösung inszeniert, indem er fordert, man solle von ihm fordern: den Ur-schrei und diesen noch einmal und immer wieder und immer entsetzlicher bis ganz fürchterlich, was dieser daraufhin auch erledigt, Er müsse jetzt sehr matt sein, empfiehlt Heinz von Stein sich selbst - und ist es. Trotzdem fordert er nun von den Dynamikern, daß sie von ihm fordern sollen, daß er sich selbst als sich selbst gegenüberstehend vorstellen und sich derart mit schlimmsten Schlächtereien bedrohen solle, welche üblen Aktionen er in der Folge, natürlich nur wörtlich, vollzieht, alles im Sinne der eigenen blutigen Inszenierung. So also, schreit er, würde er jetzt sich selbst zerstückeln, die Beine des weißfüßigen Widders, der er im Augenblick sei, würde er hemmungslos mit einem Strick fesseln und die Kehle desselben durchstechen, und dem Hirtenhund, der er im Augenblick sei, würde er die Wirbelsäule zerschmettern. Während der Szene, in der Heinz von Stein als Aias die Wahnsinnstaten desselben wörtlich vorführt und sein Brüllen bis zur Autorenbuchhandlung in der nördlichen Wilhelmstraße dringt, sollen auf Anweisung Heinz von Steins die Atriden und Odysseus warme Würstchen mit Senf und je einer Semmel gereicht bekommen. Sie sollen es sich schmecken lassen, bis sich Heinz von Stein als Aias so lange angebrüllt und wörtlich abgeschlachtet habe, daß es ihm unmöglich sei, noch einen Laut herauszubringen, geschweige einen Schwertstreich auszuführen, so will er es. Schließlich weist er sich selbst einen Platz im Hauseingang an, der in den Augen der Gruppendynamiker auf sein Geheiß: ein Berg zerfleischter Aiase zu sein habe, auf dem er, wie er, sich niederlassend, kundgibt, wie ein Schlächter sitzen bleibe, bis die Psychotherapeuten reihum ihre Fragen an ihn richten würden, womit sie auf sein Geheiß sofort beginnen. Wie es ihm ergehe, wie er sich jetzt fühle, ob er sich wohl spüre, wann er sich jemals so frei von Zorn auf seine vermeintlichen Peiniger, auf jene, die ihn betrogen haben sollen, seiner unmaßgeblichen Meinung nach, und ob er sich jemals so milde gestimmt auf seine Obrigkeit vorgekommen sei und ob er in den rechten Flügel der Ordnung jemals so zart seine Worte gehaucht habe, so daß dieser sich in leichtem Säuseln wieder auf den Höhenflug seiner Belegschaft einüben könne, das alles wollen sie von ihm wissen. Und Heinz von Stein, alias Aias, läßt sich selbst dieses alles wie gewünscht verneinen und bejahen, erschöpft, aber heiter, wie er sich sein läßt, und läßt seine dynamischen Erlöser wieder abfliegen, die Fortführung seiner Inszenierung kurz unterbrechend, bis jene über München-Schwabing verschwinden. Dann läßt er sich bellen. Einmal. Auf seine eigene Anweisung hin erhebt er sich, erklärt zugleich weshalb, nämlich um, was er zu gleicher Zeit vorführt, gräßlich zu fluchen und zwar auf Athene, auf alle Götter, auf alle Zehntausende da oben, auf die Auswahl drüben im Hausgang, in deren Mitte Odysseus steht, auf den insbesondere, dessen und deren Abschlachtung er, wie er interpretiert, im Sinne gehabt habe, auch nur zu gern vorgeführt haben würde, wenn ihn nicht der Einfall besser gedünkt hätte, einen von ihnen, nämlich Odysseus, dazu zu verdonnern: sich sämtliche Aufführungen, Aktionen, Reden und Manifeste während der Zeit ihres Auftritts auf der Münchner Freiheit aus nächster Nähe mitanschauen zu müssen. -So endete die sophokleische Etüde des Heinz von Stein Ecke Clemens/Freiheit. Die Zuschauer entließ er mit einem Wauwau.   - Paul Wühr, Das falsche Buch. Frankfurt am Main 1985

Heros

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