eilmittel,
sibirische
Die von den sibirischen Stämmen zu medizinischen Zwecken verwendeten Naturprodukte
illustrieren durch ihre genaue Bezeichnung und den spezifischen Wert, den man
ihnen beimißt, die Sorgfalt, den Erfindungsreichtum, die Aufmerksamkeit für
das Detail, die Bemühung um Unterscheidungen, die die Beobachter und Theoretiker
in den Gesellschaften dieses Typus aufgewandt haben müssen: Einnehmen von Spinnen
und weißen Würmern (bei Itelmen und Jakuten, gegen Unfruchtbarkeit); Fett des
schwarzen Mistkäfers (bei Osseten, gegen Tollwut); zerdrückte Schaben,
Hühnergalle (Russen aus Surgut, gegen Abszeß und Leistenbruch); mazerierte rote
Würmer (Jakuten, gegen Rheumatismus); Hechtgalle (Burjaten, gegen Augenleiden);
Hinnehmen von lebenden Schnecken und Krabben (Russen aus Sibirien, gegen Epilepsie
und alle Krankheiten); Berühren mit einem Spechtschnabel, mit Spechtblut, Einführen
eines Pulvers aus getrocknetem Specht durch die Nase, Aussaugcn eines Eies
des kukscha-Vogels (Jakuten, gegen Zahnschmerzen, Skrofel, Pferdekrankheiten
bzw. Tuberkulose); Rebhuhnblut, Pferdeschweiß (Giraten, gegen Leistenbrüche
und Warzen); Taubenbrühe (Burjaten, gegen Husten); Pulver aus gemahlenen Füßen
des fi/eg«-Vogels (Kasachen, gegen den Biß tollwütiger Hunde); Aufhängen einer
getrockneten Fledermaus um den Hals (Russen des Altaigebirges, gegen Fieber);
Eintröpfeln des Wassers vom Eiszapfen, der am Nest des remiz-Vogels hängt
(Giraten, gegen Augenleiden). Allein bei den Burjaten besitzt das Fleisch des
Bären sieben verschiedene therapeutische Eigenschaften, das Blut fünf, das Fett
neun, das Gehirn zwölf, die Galle siebzehn und das Fell zwei. Die Kalar sammeln
vom Bären auch die steinigen Exkremente nach der Überwinterung, um Verstopfungen
zu kurieren.
- Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken. Frankfurt am
Main 1991 (zuerst 1962)
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