Dauptsorge    Es war erst neun Uhr, aber er wollte schlafen. Im Bett wünschte er sich, kein Geschlecht mehr zu haben. Diese ewige Trauer stiftende Sexualität, ich ertrage sie nicht mehr, dachte er flehend. Er brauchte eine Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte. Die Onanie ist eine Möglichkeit, ständig in der Nähe der Niederlage zu leben, dachte er, und der Gedanke gefiel ihm. Er wartete, ob ihm noch mehr dazu einfiel, aber alles, was ihm in den Kopf strömte, waren blöde Sorgen. Auch das kannte er seit vielen Jahren; eine halbe Stunde vor dem Einschlafen schritt sein Kopf alle Sorgen ab, die er überhaupt auftreiben konnte. Solche, die er wirklich hatte, andere, veraltete Sorgen, die er früher einmal gehabt hatte, und ganz fremde, die er nie gehabt hatte und wahrscheinlich nie haben würde. Das Schlimme war, daß auch solche Sorgen, die er in dieser halben Stunde schon einmal durchsorgt hatte, sich noch einmal nach vorne drängelten und von seinem Kopf ein zweites Mal behandelt werden wollten. Erst nach einer Dreiviertelstunde ermüdete der Kopf wirklich, und er versank endlos im Kissen. Das Dröhnen an den Innenseiten der Ohren hörte auf. Die Hauptsorge, ob sich sein Leben überhaupt nicht ändern ließe, war natürlich wieder nicht behandelt worden; sie war ihm nur einmal kurz durch den Kopf gerannt, wie um zu zeigen, wie frech sie noch immer war. Und der Kopf war feige und unwissend freiwillig zurückgetreten. Genaugenommen konnte Abschaffeis Kopf seine Hauptsorge nur noch aus der Ferne vorüberrennen sehen.     - (absch)
 

Sorgen

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