arpyien  Überzeugt, daß die Harpyien nach der Ankunft des fliegenden Pferdes nicht mehr erscheinen würden, läßt König Senap ein großes Bankett zu Ehren seines Gastes ausrichten. Die Eingeladenen haben noch nicht den ersten Löffel Suppe zum Munde geführt, da hören sie ein »Korax, Korax«. Sie heben die Köpfe. Auf jeder Stuhllehne hockt ein häßlicher großer Vogel mit Harpyiengesicht. Laut krächzend öffnen alle auf einmal die Flügel und stürzen sich auf die Speisen, um sie zu zerreißen und zu besudeln.

Astolfo läuft hinaus, den Hippogryphen loszubinden, und erhebt sich mit ihm in die Lüfte. Bald ist der Himmel ein einziges Gewirbel von Federn, von den fettigen schwarzen Federn der häßlichen Raubvögel und von den schlanken weißen des Flügelpferdes. Astolfo schlägt mit dem Schwert in Richtung jener geblähten Bäuche und jener gebogenen Krallen, die sich noch um Schinken und Käse krümmen. Aber der Luftstrom, den seine Hiebe auslösen, ermöglicht es den Harpyien, allen Schlägen auszuweichen. Unten am Boden sieht man König Senap sehr klein, wie er sich die vom Vogeldreck verklebten Haare ausreißt: Auch das geflügelte Pferd vermag nichts gegen seinen Fluch.

Da fällt Astolfo ein, daß er ja noch immer sein Zauberhorn um den Hals trägt. Er führt es zum Mund und stößt hinein: Sofort machen die Harpyien kehrt und fliegen Hals über Kopf davon. Astolfo fliegt hinterher, aus Leibeskräften blasend.

Am Horizont erhebt sich ein gewaltiger Berg. Auf seinem wolkenverhangenen Gipfel sind die Quellen des Nils und das Irdische Paradies von Adam und Eva. Zu seinen Füßen öffnet sich eine Höhle ins Innere der Erde. Das ist der Eingang zur Hölle. Dort hinein fliehen die Harpyien.

Astolfo folgt ihnen mitten in einen pechschwarzen Rauch, und sogleich stößt er an zwei weibliche Füße, die in der Luft baumeln. Im Eingang zur Hölle hängt die Larve einer Gehenkten, die sich ihm als Lydia, Tochter des Königs von Lydien vorstellt. - (rol)

Harpyien (2)

- Paul Flora, Floras Taschenfauna. Berlin 1964 (Ullstein Buch 469)

Harpyien (3)

   - (mer)

Harpyien (4)

Eine von diesen Harpyien

Pünktlich immer um dieselbe Zeit
nach Mitternacht hörst du im Bett

ein Stöckelschuhpaar draußen
vor dem Fenster im Alleingang

klappern

            tak-tak-tak-tatak
nach jedem vierten Schritt ein

Auftakt langsam näher kommend
irgend so ein Stelzfuß (weiblich) mit

geschärften Krallen ... während du
dich in den Laken duckst wie

vor dem Sprung erregt von diesem
aufgespreizten rhythmisierten
Klang. Doch sie (die Vogelfrau?

der Vamp? ... die große Ralle?)

zieht gelassen weiter ihren Strich
mit der erotischen Mechanik einer

trägen Nähmaschine, die dich an
Normaluhrzifferblätter denken läßt:

›Als er noch einmal hinsah
war es 5 Minuten später.‹

- Durs Grünbein, Von der üblen Seite. Gedichte 1985 - 1991. Frankfurt am Main 1995

Harpyien (5)

Harpyien (6)
 

Vogel

 

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