Garap   Man stelle sich für einen Augenblick unsere modernen Städte aller ihrer Werbezeichen beraubt vor -die Wände und Anschlagsäulen wären nackt, wie ein leeres Bewußtsein. Und da erschiene plötzlich Garap, ein einziges Wort, ein reines Bezeichnendes ohne Angesprochenen, das bloß sich selbst bedeutet. Es wird überall gelesen, besprochen, gedeutet, verdreht und gewendet: Garap wird einfach als Zeichen konsumiert. Und was bedeutet dieser Vorgang anderes, als daß die Gesellschaft selbst Zeichen zu setzen imstande ist. Selbst Bedeutungsloses vermag eine kollektive Imagination in Erregung zu versetzen, kann zu einer gesellschaftlichen Mitteilung werden, und am Ende glauben die Leute sogar an Garap. Man war zunächst der Meinung, damit wäre der Beweis für die Durchschlagskraft der Werbung erbracht, und dachte, man könnte einfach Garap durch ein konkretes Produkt ersetzen, um den »Sieg« davonzutragen. Doch nichts scheint weniger überzeugend. Und der Scharfsinn der Werbefachleute zeigte sich darin, daß sie das Problem nicht enträtselten. Denn auf ein explizites Bezeichnetes würden sich gewiß die persönlichen Einwände geltend gemacht haben, während ein reines, selbst als Täuschung gemeintes Zeichen die Akzeptierung durch die Gesamtheit erhalten konnte. Und auf einmal steht das eigentlich Bezeichnete der Werbung mit großer Deutlichkeit vor uns: Die Werbung ist, wie der Fall Garap beweist, einfach die Massengesellschaft, die durch ein beliebiges, systematisiertes Zeichen sensibilisiert wird und sich als Ergebnis dieses Vorgangs als Kollektivität rekonstituiert. Dieses tautologische System der Selbstbezeugung steckt in jedem Werbezeichen, weil es in seinem Zeichencharakter auch Werbung im sozialen Sinn ist.

Die Massen- und Konsumgesellschaft stimmt durch die Werbung Tag für Tag über sich selbst ab.

Beruht nicht auch das totemistische System, wie Lévi-Strauss meint, auf einer ähnlichen Erscheinung? Bringt nicht durch die willkürlich erscheinenden Totemzeichen diese Gesellschaftsordnung sich selbst als eine dauernde Immanenz zum Ausdruck? In diesem Sinne wäre also die Werbung das Symptom für den Endzustand eines kulturellen Systems, das (im Register der Markenzeichen und Gütesiegel) zu der Ausdrucksarmut eines Kode und zu einem archaischen System zurückgekehrt ist.   - (baud)

Etwas

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