arderobe
Mein Freihof liegt einsam, eine halbe Stunde von der türkischen Grenze,
in einem sumpfichten Wald, wo alles im herrlichsten und fatalsten Überfluß ist,
zum Beispiel die Nachtigallen, die einen immer
vor Tag aus dem Schlafe wecken, und im letzten Sommer pfiffen die Bestien so
unverschämt nah und in solcher Menge vor meinem Fenster, daß ich einmal im größten
Zorne den Nachttopf nach ihnen warf. Aber ich kriegte
bald einen Hausgenossen, der ihnen auf den Dienst paßte und mich von dem Ungeziefer
befreite. Heut sind es drei Jahre, als ich morgens auf meinen Finkenherd ging,
mit einem Pallasch, einer guten Doppelbüchse und einem Paar doppelten Pistolen
versehen, denn ich hatte einen türkischen Wildpretdieb und Händler auf dem Korn,
der mir seit einiger Zeit großen Wildschaden angetan und mir, da ich ihn gewarnt
hatte, trotzig hatte sagen lassen, er störe sich nicht an mir und wolle unter
meinen Augen in meinem Wald jagen. Als ich nach dem Finkenherd kam, fand ich
alle meine ausgestellten Dohnen und Schlingen ausgeleert und merkte, daß der
Spitzbube mußte da gewesen sein. Erbittert stellte ich meinen Fang wieder auf,
da strich ein großer schwarzer Kater aus dem Gesträuch murrend zu mir her und
machte sich so zutulich, daß ich seinen Pelz mit Wohlgefallen ansah und ihn
liebkoste mit der Hoffnung, ihn an mich zu gewöhnen und mir etwa aus seinen
Winterhaaren eine Mütze zu machen. Ich habe immer so eine lebendige Wintergarderobe
im Sommer in meinem Revier, ich brauche darum kein Geld zum Kürschner zu tragen,
es kommen mir auch keine Motten in mein Pelzwerk. Vier Paar tüchtige lederne
Hosen laufen immer als lebendige Böcke auf meinem
Hofe, und mitten unter ihnen ein herrlicher Dudelsack, der sich jetzt als lebendiger
Bock schon so musikalisch zeigt, daß die zu einzelnen Hosenbeinen bestimmten
Kandidaten, sobald er meckernd unter sie tritt, zu tanzen und gegeneinander
zu stutzen anfangen, als fühlten sie jetzt schon ihre Bestimmung, einst mit
meinen Beinen nach diesem Dudelsack ungarisch zu tanzen. So habe ich auch einen
neuen Reisekoffer als Wildsau in meinem Forste herumlaufen,
ein prächtiger Wolfspelz hat mir im letzten Winter in
der Gestalt von sechs tüchtigen Wölfen schon auf den Leib gewollt; die Bestien
hatten mir ein tüchtiges Loch in die Kammertüre genagt, da fuhr ich einem nach
dem andern durch ein Loch über der Türe mit einem Pinsel voll Ölfarbe über den
Rücken und erwarte sie nächstens wieder, um ihnen das Fell über die Ohren zu
ziehen.
Aus solchen Gesichtspunkten sah ich auch den schwarzen Kater an und gab ihm,
teils weil er schwarz wie ein Mohr war, teils weil er gar vortreffliche Mores
oder Sitten hatte, den Namen Mores. Der Kater folgte mir nach Hause und wußte
sich so vortrefflich durch Mäusefangen und Verträglichkeit mit meinen Hunden
auszuzeichnen, daß ich den Gedanken, ihn aus seinem Pelz zu vertreiben, bald
aufgegeben hatte. Mores war mein steter Begleiter, und nachts schlief er auf
einem ledernen Stuhl neben meinem Bette. Merkwürdig war es mir besonders an
dem Tiere, daß es, als ich ihm scherzhaft bei Tage einigemal Wein
aus meinem Glase zu trinken anbot, sich gewaltig dagegen sträubte und ich es
doch einst im Keller erwischte, wie es den Schwanz ins Spundloch hängte und
dann mit dem größten Appetit ableckte. - Clemens
Brentano, Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter (1817)
Garderobe (2)
BEIM DURCHGEHEN DER GARDEROBE Eine dicke Dame stemmt fünfzig Pfund, |
- George Grosz, nach: Pass auf! Hier kommt Grosz. Bilder Rhythmen und Gesänge
1915 - 1918. Hg. Wieland Herzfelde und Hans Marquardt. Leipzig 1981
![]() |
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
![]() ![]() ![]() |
||
![]() ![]() |
![]() ![]() |