reilandhaltung
„Dieser Streit um die Legebatterien. Einfach mal die Welt der Menschen
übertragen auf die der Hühner. Ständig kriegen wir das
zu hören: diese armen Tiere, die haben keinen Freilauf, keine Selbstbestimmung
und was weiß ich noch alles, die sitzen da eingepfercht und legen Eier, das
kann doch kein Leben sein. Laßt die Hühner frei. Gebt ihnen Land und Raum, um
herumzulaufen und sich zu freuen. Alles schön und gut. Also nicht eingreifen.
Na gut. Wir haben hier zwei Modelle: eins der Freiheit und eins der Kontrolle.
Die Kontrolle wäre die Legebatterie. Und diese Kontrolle ist schlecht. Und deshalb
ist die Legebatterie schlecht. Schön, dann schauen wir uns mal diesen so schlechten
Kontrollbetrieb an. Als erstes: minimaler Verlust an fossilen Brennstoffen.
Die Hühner sitzen so dicht beieinander, daß man die Ställe nicht mehr heizen
muß. Alles, was man braucht, ist ein bißchen Ventilation. Der Kot fällt auf
ein Fließband und wird von dieser Ventilation automatisch getrocknet. Das heißt,
die Ammoniak-Emission wird auf ein Minimum reduziert. Und außerdem kommen die
Hühner mit ihrem Kot nicht mehr in Berührung. Sie haben also keine Parasiten
und müssen nicht, wie die freilaufenden Hühner, beständig mit Antibiotika vollgepumpt
werden. Was also Effizienz und Umweltschonung angeht, so steht die Legebatterie
unvergleichlich da. Würde man all die Hühner freilassen, so würde die Ammoniak-Produktion
ins Gigantische steigen, man brauchte enorme fossile Brennstoffe, um die Ställe
zu heizen, und man brauchte vor allen Dingen Ställe, die mindestens zweieinhalb
Mal so groß sind." Edgar Jay legte eine Kunstpause ein.
„Trotzdem", sagte Rurcass vorsichtig, „das mag alles stimmen und ist auch durchaus beeindruckend. Aber trotzdem, die Vorstellung, daß die Hühner sich nicht bewegen können ..." Edgar Jay lächelte. Er zog an seiner Zigarre und dann spielte er seinen letzten Trumpf aus.
„Und das ist eben das, was ich, entschuldige bitte, als naiv bezeichne. Natürlich kann man sich eine Welt ausdenken, in der alle frei umeinanderlaufen und sich nichts tun. Eine Welt, in der es allen wunderbar geht. Aber wir haben es nicht mit einer ausgedachten Welt zu tun, sondern mit unserer Welt. Und jetzt schauen wir uns mal unsere Welt an. In diesem Fall die Welt der freilaufenden Hühner. Wie sieht denn diese Welt, aus der dein zehn Cent teureres Frühstücksei kommt, nun tatsächlich aus? Diese Welt der freilaufenden und glücklichen Hühner? Die Freilaufenden leben auch in einem Stall. Sie leben zu siebt auf einem Quadratmeter. Sie sehen das Sonnenlicht nur durch die hohen Fensterscheiben. Sie bekommen beständig Antibiotika gegen die ganzen Krankheiten, mit denen sie zu tun haben. Und ..."
„Ich hab schon verstanden, aber immerhin können sie dort hingehen, wohin sie gehen wollen", warf Rurcass ein.
„Und", fuhr Edgar Jay ungerührt fort, „der Witz bei der ganzen Sache
ist: Hühner bewegen sich nicht fort. Hühner bleiben in ihrem Eck und scharren
da vor sich hin. Der Rest vom Stall interessiert sie genausowenig wie das Sonnenlicht,
das manchmal hineinfällt. So sieht die Realität aus. Und mit dieser Realität
haben wir zu tun. Und dann finde ich diese Freilauf-Realität nicht mehr so weit
von der Realität der Legebatterie entfernt. Und wenn ich dann wählen könnte
-aber das weißt du ja, schließlich habe ich ja gewählt, und du weißt, wie meine
Wahl ausgefallen ist. Mit den Möglichkeiten des Menschen
umgehen, und diese Möglichkeiten durch gezielte Kontrolle
verbessern. " - (blue)
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