rau, kopflose  Sie hat keinen Kopf, und ein Arm fehlt. Aber noch nie ist mir die menschliche Gestalt bewundernswürdiger und verführerischer erschienen.

Das ist nicht die poetisierte, die idealisierte Frau, auch nicht die göttliche, majestätische Frau wie die Venus von Milo. Das ist die Frau, so wie sie ist, wie man sie liebt, wie man sie begehrt, wie man sie umarmen möchte.

Sie ist fleischig, die Brust ist kräftig ausgebildet, die Hüfte mächtig geschwungen und das Bein ein wenig schwer — es ist eine sinnliche Venus, die man sich liegend denkt, obgleich man sie stehend sieht. Der abgefallene Arm hat die Brüste verdeckt; mit der anderen Hand hebt sie ein Tuch hoch, mit dem sie — mit einer bezaubernden Gebärde — ihre geheimsten Reize verhüllt. Der ganze sich neigende Leib ist auf diese Bewegung hin gemacht und angelegt, alle Linien sind darauf konzentriert, alle Gedanken darauf gerichtet. Diese einfache, natürliche Bewegung, die so voller Schani und doch auch Schamlosigkeit ist, die alles zeigt und alles verbirgt, die verschleiert und entschleiert, lockt und abwehrt, scheint die ganze Wesensart der Frau auf dieser Erde auszudrücken.

Und dieser Marmor lebt. Man möchte ihn anfühlen, und man ist sicher, er würde nachgeben unter der tastenden Hand — ganz wie lebendiges Fleisch.

Die Lenden besonders sind unsagbar lebensvoll und schön. Und mit wieviel Charme entfaltet sich die wellige, fleischige Linie des weiblichen Rückens, die vom Nacken bis zur Ferse reicht und in der Kontur der Schultern, der abnehmenden Rundung der Schenkel und der leichten Krümmung der sich bis zum Knöchel verjüngenden Wade alle erdenklichen Abstufungen menschlichen Liebreizes zeigt.

Ein Kunstwerk ist nichts Überragendes, wenn es nicht zugleich Symbol und genauer Ausdruck einer Realität ist.

Die Venus von Syrakus ist eine Frau und zugleich auch Symbol des Fleisches.    - (err)

Frau, kopflose ⁽²⁾

- N. N.