enstergitter
Bärlachs Blick fiel durch die Wagenscheibe, an der außen der geschmolzene
Schnee in breiten Spuren hinunterlief, auf eine Gestalt, die im Gitter des Fensters
hing, das sich links vom Spitaleingang befand. Zuerst glaubte er einen Affen
zu sehen, dann aber erkannte er erstaunt, daß es ein Zwerg
war, einer, wie man ihn bisweilen im Zirkus zur Belustigung des Publikums antrifft.
Die kleinen Hände und Füße waren nackt und umklammerten nach Affenart das Gitter,
während sich der riesenhafte Schädel dem Kommissär zuwandte. Es war ein zusammengeschrumpftes,
uraltes Gesicht von einer bestialischen Häßlichkeit, mit tiefen Rissen und Falten,
entwürdigt von der Natur selbst, das den Alten mit großen, dunklen Augen anglotzte,
unbeweglich wie ein verwitterter, moosüberwachsener Stein. Der Kommissär beugte
sich vor und preßte sein Gesicht gegen die nasse Scheibe, um besser, genauer
zu sehen, doch schon war der Zwerg verschwunden, mit einem katzenhaften Sprung
rückwärts ins Zimmer, wie es schien; das Fenster war leer und dunkel. - Friedrich Dürrenmatt, Der Verdacht. [Mit: Der Richter
und sein Henker] Zürich 1978
Fenstergitter (2)