ntgleisung  In ihren mittleren Jahren war Natalie Barney keineswegs eine bemerkenswerte Schönheit, wozu ihre Vorliebe für Süßspeisen beigetragen haben mag. Doch blieb sie Ästhetin, wählte nur ausgesprochen wohlgestaltete feminine Freundinnen und fand maskulin auftretende Lesbierinnen absurd und lächerlich. »Miss Barney war keine kämpferische Amazone, sondern im Gegenteil eine reizende Frau und immer ganz in Weiß«, schrieb Sylvia Beach. Wenn man bei ihr Damen mit hohen Kragen und Monokel antraf, dann nur, wenn diese über das Renommee der Schriftstellerin Radclyffe Hall und ihrer Freundin Lady Una Troubridge verfügten.

Freilich war auch Natalie Barney keineswegs vor geschmacklichen Entgleisungen gefeit. So plante sie zu Zeiten der Liaison mit der englischen Dichterin Renee Vivien, inspiriert durch eine gemeinsame Reise nach Lesbos, dort die alte sapphische Tradition wiederaufleben zu lassen und eine Schule für junge, entfaltungsbedürftige Talente zu gründen. Die Liebesgedichte aus der Feder Natalie Barneys hielten dem Vergleich mit dem Idol Sappho ohnehin nicht stand; man lese nur das Widmungsgedicht an ihre langjährige Lebensgefährtin, die Malerin Romaine Brooks, das Natalie Barney ihren ›Souvenirs indiscrets‹ voranstellte:

Romaine, Künstlerin von einsam eigener Art
Dank unsrer Freundschaft ist Vergang'nes Gegenwart.
Flamme, die mich verzehrt und
dann zum Licht mir ward.

Daneben nehmen sich ihre an Oscar Wilde erinnernden Aphorismen wohltuend unromantisch aus: »Es gibt keine reine Liebe. Es gibt nur die reine Eigenliebe. Und rein ist die Liebe auch nicht.« - Nachwort zu (ladies)

 

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