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Sapphos Tod

Mädchen, seht, wohin uns die Liebe führt! Unter unseren so niedlichen Füßen gräbt der Schuft einen Abgrund, in den man leicht fällt, denn vom Vergnügen zum Verbrechen ist der Weg verteufelt kurz.

 Für die deutschsprachige Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat Franz Grillparzer mit seinem auf der Bühne erfolgreichen Trauerspiel von 1818 das Bild der Lyrikerin entscheidend geprägt. In der Schlußszene erscheint Sappho »reich gekleidet«, »den Purpurmantel um die Schultern, den Lorbeer auf dem Haupte, die goldne Leier in der Hand«; sie tritt auf »eine Erhöhung des Ufers«, richtet an Phaon und Melitta, die der Gegenstand ihrer ungezügelten Eifersucht sind, die Worte:

Den Menschen Liebe und den Göttern Ehrfurcht!
Genießet, was euch blüht, und denket mein!
So zahle ich die letzte Schuld des Lebens,
Ihr Götter, segnet sie und nehmt mich auf!

- und stürzt sich ins Meer. Daumier verwandelt die tragische Heroine in eine ältliche Jungfer, der ein Eros- oder Amorknabe den letzten Schubs zu geben sucht, sich nicht länger gegen den ›Abgrund der Liebe‹ zu sperren. - (dau)

Liebestod (2)  Die Selbstmorde wurden durch eine Anhäufung von Zufällen geknüpft. Der erste und größte Anstoss war der Hass der beiden Familien dadurch konnten die Kinder, also Romeo und Julia ihr Liebe nicht ausleben. Ein weiteres Problem war der das Romeo von Merkutio nicht mehr erfahren konnte, dass Julia nicht Tot sondern nur Bewusst los war.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kinder nur durch sehr viele Zufälle in diese missliche Lage hätten kommen können. - ShakespeareFreak

Liebestod (3) Fürchten Sie nicht, dass ich Ihnen jemals absichtlich in den Weg laufen würde. Sollten wir jedoch einmal zufällig auf einer Strasse einander entgegen laufen, dann wäre es Dummheit, sich auszuweichen. Sie wissen scheinbar noch nicht, wozu Sie fähig sind. Wird dieser Anfang denn niemals beginnen? Ich notiere das Inventar, das nötig sein wird, für unsere Experimente. Morgen beginne ich — verzweifelt — mit der Einrichtung des Zimmers, in dem wir von nun an gemeinsam leben werden, um es nicht mehr zu verlassen. Soll ich Schiesscharten bauen, sollte ich nicht Kanonen besorgen? Alle Arbeit hat in der Befestigung unserer Festung zu bestehen. Alles, was nichts mit uns zu tun hat, werden wir ausschliessen. „Zweisamkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit." Man hat hin und wieder dieses Thema diskutieren hören, aber man scheut schon allein den Versuch. Es gibt wohl nicht viele, die Lust dazu haben, miteinander zu sterben. Einseitiges Überleben wird dem Liebestod vorgezogen. Ich habe an Vorräte zu denken: Gifte, Instrumente, Parfüm, Masken, Käfige, Fäden. Steine mit geschliffenen Kanten als Betten, Bilder, Figuren, Lupen, Kostüme, Musik, Perrücken, Drapierungen und Staub. Konserven werden unvermeidlich sein. Selbst zu zweit wird man hungrig werden. Und was meinen Sie zu einem Mikroskop? Vieles lässt sich nur mit Papier machen. Auf Papier wird letztenendes alles hinauslaufen. Ich freue mich auf den Tod der Frau, die ich liebe. Ich werde der Eifersucht auf die Krankheit oder den Unglücksfall, die Sie bedrohen, zuvorkommen. Es wäre natürlicher, stürben wir im gleichen Augenblick. Nicht einmal Romeo und Julia bekamen den Tod, den sie verdient haben. Ich aber will mit klaren Augen zusehen, wenn ich Sie töte, ich, der ich Ihnen so unendlich verbunden bin. Zuletzt werden Sie mich mit Ihrem brechenden Blick ansehen. Mich, den immer von Ihnen erwarteten Mörder.  - Unica Zürn, Erdachte Briefe. In: U. Z., Das Weiße mit dem roten Punkt. Texte und Zeichnungen. Frankfurt am Main - Berlin 1988

Liebestod (4)

Tod aus Liebe

Für Margarita Manso

Was ist das, was leuchtet dort
auf den hohen Balustraden?
Mach die Türe zu, mein Junge,
eben hat es elf geschlagen.
Die vier Lampen mag ich nicht,
die mir in den Augen tanzen.
Das ist sicher dieses Volk da,
sicher wienern sie ihr Kupfer.

*

Knoblauchzeh aus siechem Silber
scheint der sicheldünne Mond,
und er legt um gelbe Türme
einen Kranz aus gelben Haaren.
Zitternd schlägt die Nacht ans Fenster
in den oberen Etagen,
hinter sich die tausend Hunde,
die die Unbekannte jagen,
und ein Duft nach Wein und Ambra
senkt sich von den Balustraden.

*

Brisen aus dem feuchten Schilf
und ein Wirrwarr alter Stimmen
hallten durch den eingestürzten
Bogen dieser Mitternacht.
Ochs und Rose schliefen fest.
Aber auf den Balustraden
standen schreiend die vier Lichter
wie Sankt Georg wild und rasend.
Gramgebeugte Frauen vom Tal
trugen Männerblut hinunter,
still wie von gepflückten Blumen,
bitter wie von jungen Schenkeln.
Alte Frauen vom großen Fluß
weinten still am Fuß des Berges —undurchdringliche Minute,
Zeit der Haare und der Namen.
Durch die Tünche der Fassaden
war die Nacht quadratisch weiß.
Seraphine und Zigeuner
spielten Ziehharmonika.
Mutter, wenn ich sterben muß,
solln die Herren es erfahren.
Sende blaue Telegramme
aus dem Süden in den Norden.

Sieben Schreie, sieben Wunden,
sieben extra Schlafmohnblüten
brachen blinde Spiegelscheiben,
die in dunklen Sälen hingen.
Voller kleiner Blumenkränze
und voll abgeschnittener Hände
brandete das Meer der Schwüre
gegen wer weiß welche Strande.
Aus dem Wald kam jähes Rauschen,
aus dem Himmel Türenschlagen,
während die vier Lichter schrien
auf den hohen Balustraden. 

 - Federico García Lorca, Zigeunerromanzen. Frankfurt am Main 2002 (zuerst 1924-1927)

Liebestod (5) Er hatte eine stämmige Eiche für sein Vorhaben ausgewählt, einen oberschenkeldicken Ast, über den zwei flachsgelbe Seile von der Stärke meines Handgelenks geworfen waren (warum gleich zwei? Nun, ganz einfach: bei den entscheidenden Dingen ging er gerne auf Nummer Sicher). Mein Onkel hing da, wo der Wald tief und hoch und besonders dunkel ist... Man erkannte kaum noch, daß er seinen besten Sonntagsanzug trug. In seinem Knopfloch steckte eine rote Rose, das Symbol der Liebe und der Liebenden.

Auf dem bemoosten Boden unter seinen sanft im Winde baumelnden Füßen lag ein zugeklebter Umschlag ohne Adresse. Sein Abschiedsbrief, kein Zweifel. Darin fand ich zu meinem nicht geringen Erstaunen ein Geständnis zu Papier gebracht, wie ich es dieser liebenden Seele selbst in meinen kühnsten Träumen niemals zugetraut hätte:

Der elfjährige Sohn seiner Haus Wirtschafterin hatte es ihm angetan! Mein Onkel verzehrte sich in unerwiderter Liebe zu ihm...

Ich entsinne mich noch deutlich jenes rotznäsigen, leicht schielenden Knaben, dessen Hosentaschen immer mit Glasmurmeln, Sicherheitsnadeln, schmutzigen Taschentüchern und Bindfäden angefüllt waren. Er trug zwei Scheitel - zwei Scheitel, hochverehrte Frau Doktor, die auf jeder Seite seines Schädels wie fettige schwarze, in die Kopfhaut geschnittene Filzbahnen auseinanderklafften.  - Peter Schmidt, Linders Liste. Reinbek bei Hamburg 1988

Liebestod (6)  Während die eindrucksvollen Bilder von den Leichen in der Grotte über den Bildschirm liefen, legte Prestia in seiner TV-Senduung voller Überzeugung seine These dar. Er wußte nichts von dem Loch in der Schläfe des Mannes und sprach daher von einem Tod aus Liebe. Seiner Meinung nach hatten sich die beiden Liebenden, deren Leidenschaftvon ihren Familien nicht geduldet wurde, in der Grotte eingeschlossen, den Durchgang zugemauert und sich dem Hungertod anheimgegeben. Sie hatten ihre letzte Zuflucht mit einem alten Teppich und einem Krug mit Wasser eingerichtet und eng umschlungen auf den Tod gewartet. Von der Schale mit den Münzen sagte er nichts, sie paßte nicht in das Bild, das er sich ausmalte. Die beiden, fuhr Prestia fort, hätten nicht identifiziert werden können, die Geschichte liege mindestens fünfzig Jahre zurück. Dann berichtete ein anderer Journalist von den Ereignissen des Tages: Ein sechsjähriges Mädchen wurde von einem Onkel väterlicherseits vergewaltigt und mit einem Stein erschlagen, in einem Brunnen wurde eine Leiche gefunden, eine Schießerei in Merfi mit drei Toten und vier Verletzten, der Tod eines Arbeiters, ein Zahnarzt war verschwunden, der Selbstmord eines Händlers, den Wucherer ruiniert hatten, die Verhaftung eines Gemeinderats aus Monte-vergine wegen Erpressung und Korruption, der Selbstmord des Präsidenten der Provinz, dem Hehlerei vorgeworfen wurde, ein Leichenfund im Meer.   - Andrea Camilleri, Der Hund aus Terracotta. Bergisch Gladbach 2001
 
 

Liebe Tod

 

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