uswickeln Quer auf einem Tisch liegt die Mumie, die man aus ihren Bändern lösen wird. Rundherum dicht gedrängt dekorierte Gehröcke. Und dann beginnt das nicht enden wollende Aufwickeln des Leinenbandes, das das steife Paket einwindelt. Es ist eine Frau, die vor zweitausendvierhundert Jahren gelebt hat; und die furchtbare und so ferne Vergangenheit eines Wesens, dessen Gestalt das Auge zu betasten beginnt und dessen gewaltigen Schlaf man nun entweihen wird, scheint in den Saal und die historische Wißbegier der Anwesenden, ich weiß nicht welche, Andächtigkeit zu bringen, bei aller Gier zu schauen.
Man wickelt auf, wickelt immer weiter auf, ohne daß das Paket abzunehmen scheint, ohne daß man dem Körper merklich näher kommt. Die Leinwand entsteht offenbar immer aufs neue und droht unter den Händen der Handlanger, die unermüdlich abwickeln, niemals enden zu wollen. Damit es schneller geht und um das Auspacken zu beschleunigen, stellt man sie einen Augenblick auf die Füße, die auf die Dielen mit dem harten Geräusch von Holzbeinen aufstoßen. Und wir sehen das aufrechtstehende Paket nun sich drehen, Pirouetten machen, schrecklich Walzer tanzen, zwischen den hastigen Armen der Gehilfen, der Tod in einem Packen Stoff.
Man legt sie wieder hin und wickelt immer weiter ab. Meter nach Meter Leinwand häuft sich auf, steigt zum Berg an, bedeckt den Tisch mit dieser Unterwäsche in hübschem Safrangelb mit Rosttönen einer Leinwand, die nicht gebleicht worden ist. Und merkwürdige Gerüche Schwaden auf, Duft nach Staub und Naphta, warme und pfeffrige Emanationen von Aromaten und Totenmyrrhen: die Gerüche schwarzer Wollust des antiken Totenbettes. Endlich beginnt unter dem Wickeln und Wickeln sich ein wenig die menschliche Form eines Körpers abzuzeichnen. »Berthelot, Robin, schauen Sie bloß!« sagt der Ägyptologe Mariette. Ein Messerchen, das in der Achsel kratzt, holt etwas heraus, das von Hand zu Hand geht und das eine Blume oder ein Korn zu sein scheint, etwas, das einstmals gut roch, ein kleines Bukett, von Ägypten in die Feuchte unter dem Arm seiner Toten geschoben.
Die letzten Binden sind fortgenommen, die Leinwand ist zu Ende. Da liegt
ein Stück Fleisch: es ist ganz schwarz und verwundert einen, so sehr hat man
erwartet, unter dieser zweitausendjährigen Leibwäsche ganz frisch das Leben
des Todes und die konservierte Ewigkeit des Leichnams zu finden. Du Camp hat
sich mit einer Art nervöser Frenesie auf die Entblößung von Kopf und Hals gestürzt.
Plötzlich funkelt im Schwarz des vertrockneten Erdpechs am Halsansatz ein wenig
Goldenes. Er ruft: »Ein Halsband!« Und mit einer Schere läßt er vom versteinten
Fleisch eine kleine Goldplatte sich abheben; sie zeigt in Ölkohle eine Inschrift
und ist in Form eines Sperbers ausgeschnitten. Dann hebt man auch noch einen
ganz kleinen Horus und einen dicken grünen Scarabäus ab. Mariette (Ägyptologe),
der sich auf das Goldblättchen gestürzt hat, sagt, es sei ein Gebet um Wiedervereinigung
ihres Herzens und ihrer Eingeweide
mit dem Leib am jüngsten Tag. - (
gon
)
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