Anzug, ruinierter    Takeshi fühlte sich wie eine Giftmülldeponie. Alle möglichen Symptome, vor allem in Brust und Bauch, setzten ihm schmerzhaft zu. Da der Anblick von Essen ihm mittlerweile Übelkeit bereitete, ließ er nichts mehr aufs Zimmer kommen. Aber endgültig den Rest gab ihm, daß sein Anzug, als er aus der Reinigung kam, der Anzug, den er vor und nach seiner Begegnung mit DL getragen hatte, auf der Vorderseite der Jacke und kurz unterhalb des Hosenbunds voller fünf bis zehn Zentimeter großer Löcher war, deren Ränder schwarz und ausgefranst waren, als wäre der Stoff verbrannt und gleichzeitig verrottet. Er rief in der dorai kurüningu an. Dort war man zwar untröstlich, konnte ihm aber auch nicht weiterhelfen.

«Wir haben Perchloräthylen benutzt, wie immer. Ich war sehr verwundert, als diese Löcher anfingen.»

«Anfingen? Womit anfingen?»

«Größer zu werden. Innerhalb von ein paar Sekunden! Ich hab so was noch nie gesehen.»

Schwitzend, vor Schmerzen ächzend und zutiefst beunruhigt ließ Takeshi sich einen Notfall-Termin bei einem der Betriebsärzte von «Wawazume Life & Non-Life» geben und vergaß nicht, den Anzug mitzubringen, den Dr. Oruni auf einen Behandlungstisch legte und von einem automatischen Scanner abtasten ließ, während er und Takeshi sich nebenan auf einem Videoschirm die Ergebnisse als Graphik und in Form von Zahlenreihen ansahen. «Das sind alles Alarmpunkte», sagte der Arzt und wies mit dem Cursor auf die Löcher. «Irgendeine seltsame, zersetzende Energie - sehr negativ. Sind Sie in eine Schlägerei geraten?»

Takeshi dachte an das, was er den ganzen Tag über zu vergessen versucht hatte; die amerikanische Frau - wie sie ihn angestarrt hatte, wie sich Entsetzen und die Erkenntnis, versagt zu haben, auf ihrem Gesicht abgezeichnet hatten, bevor sie davongerannt war. Er erzählte dem Doktor von seinem Besuch im «Haru no Depaato», derweil der ihn einer nicht allzu eingehenden Untersuchung unterzog und bei allem, was er zu finden schien, ein düsteres Grunzen von sich gab. Er stieß jedoch auf nichts Ernsthaftes, bis zur Urinuntersuchung. Doc Oruni nahm eine Flasche Suntory Scotch aus einem kleinen Kühlschrank, trieb zwei Pappbecher auf, füllte sie fast bis zum Rand, legte seine Füße auf den Schreibtisch und gab sich trübselig der Ergründung dieses Mysteriums hin. «Kein Krebs, keine Zystitis, keine Blasensteine. Eiweiß, Ketone und so weiter - alles normal! Aber irgendwas Komisches ist mit Ihrer Blase. Wie ein Trauma, nur - viel langsamer.»

«Sie... könnten nicht vielleicht etwas deutlicher werden?»

«Glauben Sie etwa, man könnte so was in irgendeiner Risiko-tabelle finden? Und es geht weg, wenn man weiß, was es ist und das statistische Risiko kennt?»

«Es... kommt nicht oft vor, ne

«Ich bin so etwas.noch nie begegnet - hab bloß Artikel darüber gelesen und im Club was darüber gehört. Anekdoten eben. Wenn Sie wollen, überweise ich Sie an jemanden, der Ihnen Einzelheiten geben kann...»

«Was können Sie mir darüber sagen?»

«Schon mal was von der ‹Vibrierenden Hand› gehört?»

«Ja, da bin ich ein- oder zweimal gewesen.»

«Das ist keine Bar, Fumimota-san, sondern eine Methode, jemanden umzubringen - mit einem eingebauten Zeitzünder! Wurde vor Jahrhunderten von einem malayischen Chinesen erfunden und dann von unseren Ninja und Yakuza übernommen. Heute gibt es eine Reihe verschiedener Techniken, alle mit demselben Effekt.»

«Das hat sie mit mir gemacht?» Effekt? «Aber ich hab gar nichts gespürt.»   - Thomas Pynchon, Vineland. Reinbek bei Hamburg 2015

Anzug Ruin

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