larmpunkte    Sie kam nie ganz dahinter, doch sie glaubte, daß man die Linsen einer Toten abgenommen hatte. Und daß sie, DL, ihren Mord durch die Sehhilfe eben jener Toten hatte sehen sollen. Wahrscheinlich war es eine Hure gewesen, vermutete DL, eine, die man bei einem Betrug erwischt hatte, die ihr ganzes kurzes Leben lang in keinen Büchern aufgetaucht war und an deren Namen, selbst an die, welche sie bei der Arbeit verwendet hatte, sich niemand mehr erinnerte. Die inzwischen so nichtexistent war, wie man nur sein konnte.

Doch durch deren Kontaktlinsen DL sah, als sie sich auf den nackten Mann setzte, seinen Penis nahm und in sich hineinsteckte -präzise atmend, einzig und allein auf die Alarmpunkte entlang der dunklen Meridiane des wehrlosen Körpers unter ihr konzentriert. Sie brauchte keine Augen mehr, sie erspürte die Punkte mit andern Mitteln, blockierte den Fluß seines Chi und brachte ihr eigenes mit den richtigen Bewegungen und Gedanken zum Strömen. Takeshi spürte nichts davon. Erst als es ihm kurz darauf kam und er in breitstem Straßenjapanisch zu schreien begann, kehrte DL auf die normale zwischenmenschliche Ebene zurück und merkte, daß irgendwas nicht stimmte. Sie hing über der Bettkante und fummelte an ihren Augen herum. Takeshis schlaffe Nudel glitt aus ihr heraus, Und er selbst rückte, leicht verwirrt, von ihr ab. Als er ihr Gesicht sah, wunderte er sich über die unvermittelte grüne Blässe ihrer Augen - es war, als wäre etwas ausgelaufen. Sie preßte die Lider zusammen und blinzelte.

«Oh... Gott... oh, nein...» Schneller als er folgen konnte war sie vom Bett gerollt und hatte, die Tür zur Rechten, eine Kampfstellung eingenommen.    - Thomas Pynchon, Vineland. Reinbek bei Hamburg 2015