elken  Mit zwanzig Jahren erklärt sie eine Frau von achtundzwanzig Jahren für alt; mit achtundzwanzig Jahren eine Fünfunddreißigjährige für senil.

Und kommt die Reihe auch an sie, dieses hohe Alter zu erreichen, so sieht sie nicht in ihrem eigenen Gesicht die vielfältigen Falten, die irdene Farbe, die durchäderte Iris, die Säckchen unter den Augen, die leichenhafte Weichlichkeit, über die sie bei andern spottete. Für jedes Anzeichen des Verfalls bildet sie sich eine Formel, mit der sie sich tröstet:

«Weiße Haare? Oh, eine Freundin von mir war schon mit dreißig Jahren ganz meliert, und meine Mutter hatte schon mit fünfzehn Jahren eine ganze silberne Locke.» —

«Falten? Aber das sind doch gar keine Falten, das sind Ausdruckslinien. Sie bilden sich, wenn ich lache. Warum bringst du mich immer zum Lachen? Du bist schuld, wenn ich Falten bekomme!» —

«Die Augen? Natürlich sind sie rot — weil ich geweint habe. Warum bringst du mich immer zum Weinen?» —

«Der Busen wird schlapp. Ja, das ist die Bleichsucht. Aber jetzt wird er bald wieder ganz straff sein.» —

«Ein Schnurrbart? (Sicheres Zeichen der bevorstehenden Wechseljahre.) Das sind kleine Härchen, die ich die Einfalt hatte, ausreißen zu wollen.»

Und indessen wird das Gesicht traurig verwüstet. Die Augen, die vor zwei, drei Jahren noch von wunderbarer Schönheit waren, liegen jetzt klein und verschwommen in der schlappen schwärzlichen Haut, gleich Elefantenaugen. Und doch entschließt sich die Frau nicht zur Abdankung. Sie sucht, sucht verzweifelt das Abenteuer, wie die Fische, die offenen Mundes Kilometer um Kilometer zurücklegen. - Pitigrilli, Betrüge mich gut. In: P., Betrüge mich gut. Reinbek bei Hamburg 1988 (rororo 12179, zuerst 1922)

 

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