echselgeld  Wie oft am Tag habe ich ein Würstchen mit Hörnchen für eine Krone achtzig ausgegeben, doch der Fahrgast hatte nur zwanzig Kronen, manchmal auch nur fünfzig, ich aber hatte nie Wechselgeld, selbst wenn ich welches hatte, und so verkaufte ich weiter, bis dann der Reisende auf den Zug aufsprang und sich zum Fenster durchdrängte und die Hand ausstreckte, und ich gab ihm zuerst die heißen Würstchen, dann klimperte ich in der Tasche mit dem Kleingeld, doch der Fahrgast schrie, ich solle das Kleingeld behalten, Hauptsache, ich gäbe die Scheine raus, und ich klaubte langsam in der Tasche die Scheine zusammen, und der Vorsteher pfiff schon, und ich zog langsam die Scheine hervor, und der Zug rollte bereits an, und ich lief neben dem Zug her, und wenn der Zug an Tempo gewann, dann hob ich die Hand, und die Geldscheine berührten gerade noch die Finger des sich streckenden Reisenden, fast jeder beugte sich so weit vor, daß ihn jemand im Coupé an den Beinen festhalten mußte, einer rammte mit dem Kopf sogar den Wasserkran, ein anderer den Signalmast, doch dann entfernten sich die Finger bereits schnell, und ich blieb keuchend und mit ausgestreckter Hand stehen, in der sich die Geldscheine befanden, und das war mein Verdienst, denn nur sehr selten kehrte ein Reisender wegen des Geldes zurück, und so hatte ich bald mein eigenes Geld, nach einem Monat waren es schon ein paar Hunderter, schließlich hatte ich sogar tausend Kronen beisammen. - Bohumil Hrabal, Ich habe den englischen König bedient. Frankfurt am Main  1990 (zuerst 1971)

Wechselgeld (2) Dann kam der nächste Bus, und er kam auch hinein, aber der Fahrer weigerte sich, ihm für einen 20-Mark-Schein einen Kudamm-Fahrschein zu geben.

»Dafür kriegen Sie bei mir nichts«, sagte der Fahrer. »Auf 20 Mark muß ich nicht herausgeben.«

»Das ist gutes Geld«, sagte Herr Lehmann. »Das sind 20 Mark der Deutschen Bundesbank.«

»Ich muß Ihnen darauf nicht herausgeben.«

»Wer sagt das?«

»Das sagen die Beförderungsbedingungen. Also Kleingeld oder raus.«

»Die Beförderungsbedingungen der BVG sagen aber auch, daß Sie mir, wenn Sie nicht rausgeben können, eine Quittung über den Restbetrag geben müssen, die ich am Kleistpark einlösen kann«, sagte Herr Lehmann, der einmal in einem Anfall akuter Langeweile im U-Bahnhof Möckernbrücke die Beförderungsbedingungen der BVG durchgelesen hatte.

»Dazu habe ich keine Zeit«, sagte der Fahrer. »Kleingeld oder wieder raus.«

»Sie verstoßen gegen Ihre eigenen Beförderungsbedingungen«, sagte Herr Lehmann.

Der Busfahrer stellte den Motor ab und verschränkte die Arme. »Ich habe Zeit. Wenn Sie nicht gleich weg sind, dann rufe ich die Polizei.«

»Eben haben Sie noch gesagt, Sie hätten keine Zeit. Was denn nun?«

»Raus, oder ich rufe die Polizei.«

Aus dem Bus kamen jetzt die ersten Beschwerden: »Schmeiß doch den Blödmann raus« und »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«

Das bringt jetzt nichts, dachte Herr Lehmann. Gegen Dummheit kommt man nicht an. Außerdem fiel ihm gerade rechtzeitig wieder ein, daß er bei der BVG noch immer Hausverbot hatte, da war es nicht ratsam, die Sache, in der er de jure dastand wie eine eins, bis zum Ende durchzufechten.

»Soll ich Ihnen mal sagen, was Sie sind?« rief er, als er draußen stand.

»Nein«, sagte der Fahrer, machte die Bustür zu und fuhr ab. - Sven Regener, Herr Lehmann. Ein Roman. München 2003 (zuerst 2001)

Einkauf Geld
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Verwandte Begriffe
Synonyme