Vermögensoptimierung    Man rief mir die Peripetien der Affäre von Le Loch ins Gedächtnis zurück: eine junge Frau war mit einem Jagdgewehr getötet worden, in jenem Haus, das ich erblickt hatte; ihr Mann, Michel Henriot, der Sohn des Generalstaatsanwalts von Lorient, sagte aus, daß der Mord sich in seiner Abwesenheit ereignet habe und wahrscheinlich einem Landstreicher zur Last gelegt werden müsse, wie schon mehrere andere in jüngster Zeit verübte Verbrechen, die keine Sühne gefunden hatten. Die gefährliche Abgelegenheit des Hauses, das er kurz nach seiner Heirat hatte errichten lassen, erkläre sich aus dem Umstand, daß er in den Anbauten die Aufzucht von Silberfüchsen betrieb. Die Untersuchung ergab dann, daß er, vor noch nicht langer Zeit, eine Versicherung zu seinen Gunsten im Falle des Ablebens seiner Frau abgeschlossen hatte, wobei in dem Vertrag das Risiko eines Mordes ausdrücklich vorgesehen war, und daß der Staatsanwalt Henriot gleich am Tag nach dem Verbrechen die in Frage kommende Gesellschaft telephonisch aufgefordert hatte, zur Bestandsaufnahme zu schreiten. »Ganz« Lorient, scheint es, hatte die Leiche zu Grabe geleitet, auf einem Wege, der in seinem ersten Teil der gleiche wie der unsrige heute gewesen war. Die Menge, die hinter den Hen-riots herzog, befand sich in begreiflicher Erregung, der Sohn versuchte, sein Fuchs-Profil hinter einigen förmlichen Worten des Bedauerns zu verbergen, der Vater ertrug die lauten Drohungen mit Würde. (Er war stadtbekannt wegen seiner Strenge, die ihm den Beinamen Staatsanwalt Maximum eingetragen hatte: in der Tat erzählte man sich, daß, wenn seine Vertreter zu milderen Konklusionen kamen, er stets persönlich eingegriffen habe, um die Höchststrafe zu beantragen.) Unterdessen war das Verhör wieder aufgenommen worden, und Michel Henriot mußte sich bald zu Geständnissen bequemen: er hatte seine Frau getötet, er leugnete nur, in gewinnsüchtiger Absicht gehandelt zu haben. Seiner Darstellung nach hatte er. einer seit langem in ihm angestauten Wut über seine Frau nachgegeben, die sich immer wieder, und gerade an jenem Tage aufs neue, geweigert hatte, ihm in sexueller Hinsicht zu Willen zu sein. Zusätzlich zu diesen näheren Angaben, mit denen der Untersuchungsrichter sich zufriedengeben mochte oder nicht, war natürlich eine ganze Reihe weiterer Nachforschungen angezeigt, die jedoch keineswegs konsequent durchgeführt wurden, da namentlich keine psychoanalytische Untersuchung stattfand, die jedoch, bei aller Zufälligkeit, einige nicht unerhebliche Gesichtspunkte zur Bewertung des Verbrechers zutage förderten: eine neuropathische erbliche Belastung von seiten der Mutter, einer leidenschaftlichen Scharfschützin, deren übermäßige Schwäche für ihr Kind im äußersten Gegensatz zu der rein beruflichen Gefühlskälte und Überheblichkeit des Vaters stand; von kränklicher Komplexion, geistig kaum mittelmäßig begabt, nicht ohne Wunderlichkeiten (die späte Entscheidung für den Beruf eines Fuchszüchters ist hier recht bezeichnend). Seine Eheschließung war eine mehr als widerwärtige Angelegenheit, sie erfolgte auf eine Heiratsanzeige hin, die ihm alle weiteren Präliminarien als überflüssig erscheinen ließ: gemeinsame Neigungen festzustellen, bestand bei ihm keinerlei Bedürfnis, so sehr stimmte er in allem und jedem mit den schmutzigen Wünschen der Eltern überein, die nicht zwei Menschen, sondern nur zwei Vermögen miteinander ins Gleichgewicht bringen wollten. Man hat Frau Michel Henriots Briefe an ihre Schwester lesen können, Briefe, in denen sie, weil sie über das, was ihr bevorstand, sich keiner Täuschung hingab, um Hilfe bat, ohne doch damit zu erreichen, daß man sich ihretwegen die geringsten Sorgen machte. Ein schönes Zeugnis zum Ruhm der bürgerlichen Familie!   - André Breton, L'Amour fou. Frankfurt am Main 1983 (zuerst 1937)
 

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