raumstadt Sie
hat, ich weiß nicht mehr wo, diesen neo-irgendwas oder post-irgendwas Maler
getroffen, diesen ihren Uwe, und hat ihren Ehemann und ihre kleinen Kinder
verlassen, ist hierher gekommen und hat ein Haus auf einer Laguneninsel
gesucht, hat nichts gefunden und lebt jetzt am Ende der Giudecca in einer
Wohnung im dritten Stock, mit dem Künstler, der nichts verkauft, keine
Ausstellungen hat, sich keinen Namen macht und meiner Meinung nach auch
nicht einmal mehr malt, für seinen Unterhalt sorgt sie, die aus einer wohlhabenden
Familie kommt und mit mir etwas dazuverdient. Es gibt noch hundert, noch
tausend solche Haushalte in Venedig: dänische Bildhauerinnen, englische
Komponisten, holländische Photographen, mexikanische Dichterinnen, guatemaltekische
Romanciers, alle mit einem Künstlerkollegen oder der »großen Liebe« als
Lebensgefährten, den sie aushalten oder von dem sie sich aushalten lassen.
Sie haben »alles« (meistens war es nichts) aufgegeben, um in der romantischsten
Stadt der Welt ihren Traum zu verwirklichen; und sie vergessen diese Stadt
keinen Augenblick, wollen sie wie die Touristen bis zum letzten Cent ausnützen:
sie haben bezahlt, um hier zu sein, und Venedig
muß ihnen etwas geben für ihr Geld. -
Fruttero & Lucentini, Liebhaber ohne festen Wohnsitz. München 1990
Traumstadt
(2) Ohne zu wissen, was Futurismus ist, kam Johansen dem
sehr nahe, als er von der Stadt sprach; denn anstatt irgendeine präzise Struktur
oder ein Gebäude zu beschreiben, verweilt er nur bei Eindrücken weiter Winkel
und Steinoberflächen - Oberflächen, die zu groß waren, um von dieser Erde zu
sein; unselig, mit schauderhaften Bildern und blasphemischen Hieroglyphen bedeckt.
Ich erwähne seine Bemerkung über die Winkel deshalb, weil sie auf etwas hinweist,
das Wilcox mir aus seinen Schreckensträumen erzählt hatte. Er hatte gesagt:
die Geometrie der Traumstädte, die er sah, sei
abnorm, un-euklidisch und in ekelhafter Weise von Sphären und Dimensionen erfüllt
gewesen, die fern von den unseren seien. - H. P. Lovecraft, Cthulhus Ruf. In: Cthulhu. Geistergeschichten.
Übs. H. C. Artmann. Frankfurt am Main 1972 (st 29, zuerst 1928)
|
||
|
||