ierdunst  Als es an der Haustür schellte, war es der Bäckerbursche, der die Semmeln brachte. Er hieß Eilif Borg. Er pflegte von sich zu sagen, daß man ihn den schönen Borg nenne. Eilif war ein umständlicher Name. Niemand mochte ihn aussprechen. Liv Borg. Leben Borg. Du bist mein Leben Borg. Frau Inge hatte ihm die Tür geöffnet. Er lachte. Es war ein anderes Lachen als das des Milchburschen. Es war fleischlicher. Der Mund war wie eine Orchidee. Fleischgierig. Wiewohl man von dieses Menschen Magen nichts aussagen konnte. Die Lippen gingen auf, breit, wulstig. Aber sie zogen sich von den leichtgelblichen Zähnen nicht ab. Da blieb eine Muskelschicht, fast wellige Linie, die die Zähne bedeckt hielt. Es war ein erregender Mund. Eine Spur unsauber. Ungeputzte Zähne, dachte Frau Tidemand. Aber das Gesicht war in gleicher Weise unsauber. Obgleich es gewaschen war. Kleine Pigmentpunkte, nicht deutlich abgehobene Sommersprossen. Das Gesicht bildete mit dem Munde gemeinsam eine unkeusche verführerische Einheit. Es beschattete die Augen. Die Augen waren dunkel beschattet. Mit einem großen Schatten, der das Gesicht war. Und ein unordentlicher Garten gelbroter dicker Haare, gesträhnt, verweht, verwittert wuchs über diesem Gesicht. Es war ein junges und gesundes Gesicht trotz der Dunkelheit in ihm. Es würde niemand geben, der das Gesicht anzuspeien oder zu steinigen vermöchte. Es war ein gefeites Gesicht. Und der Körper dieses Menschen war stark.

Er lehnte zwei Stufen abwärts auf der Treppe gegen die Wand. Ein großer viertelkreisförmiger Bogen die Linie, die über die graugrüne Windjacke vom Hals bis zu den Knien verlief. Der Bauch war vorgeschoben. Aber der Mensch war nicht verdächtig, einen fetten Bauch zu haben. Es war der Verlauf der Linie, die unter ihm ihren Zenith hatte. Der Mensch war noch jung. Es war ein unendlich wichtiger Körperteil nur lässig vorgeschoben, weil die Kurve einen Zenith haben mußte. Darum: verführerische Linie. Eine freche Anpreisung mittels der Linie. Der schone Borg. Du bist mein Leben Borg. Frau Inge Tidemand hatte, bei schlechtem Gewissen, eine Eingebung. Sie dachte, dieser Borg würde dem Gymnasiasten, ihrem Herrn Sohn Harald, besser gefallen als der Milchbursche. Weil er so fleischlich roch. Der starke Mehlduft haftete nicht an ihm. Die Tiergerüche der Straße kamen an ihm zusammen. Als ob er auf seinem Kundenweg die an den Ecken haltenden Pferde streichelte. Was keine Schande war. Und nicht die Ursache, wenn man es recht bedachte, für so viel Tierdunst sein konnte. - (jah)

 

Dunst

 

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