Spiritual   An dem Tag, an dem der Sheriff Goodwin in die Stadt brachte, saß im Gefängnis ein Neger, der seine Frau ermordet hatte; er hatte ihr die Kehle mit einem Rasiermesser durchgeschnitten, und während ihr der Kopf von dem Blutstrom, der aus ihrer Kehle schoß, immer weiter nach hinten gedrückt wurde, war sie aus der Hüttentür gelaufen und noch sechs oder sieben Schritte die stille, mondbeschienene Gasse hinauf. Abends pflegte er im Fenster zu lehnen und zu singen. Nach dem Essen sammelten sich ein paar Neger unten am Zaun - saubere, billige Anzüge und schweißfleckige Overalls Schulter an Schulter -, und im Chor mit dem Mörder sangen sie Spirituals, während weiße Passanten langsamer gingen und stehen blieben in der belaubten Dunkelheit, die fast Sommer war, um denen zu lauschen, die gewiß waren, sterben zu müssen, und dem, der schon tot war, wie sie vom Himmel sangen und vom Müdesein; oder es kam in der Pause zwischen den Liedern eine wohlklingende, ursprunglose Stimme aus der hohen Dunkelheit, wo der gezackte Schatten des Himmelsbaums, der die Straßenlaterne an der Ecke umkränzte, zagte und klagte: »Vier Tage noch! Denn wer'n sie umbring' das beste Baritonsänger, was hat in Nord-Mississippi!«   - William Faulkner, Die Freistatt. Zürich 1981  (zuerst 1931)
 

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