Spaltenappetenz   Er sieht Max am anderen Ende vor der Wand lauern, mit aufgerichteten Ohren, wie sie den Estrich mit dem Schwanz glattpeitscht, schaudernd sich anspannt und auf die Mauer zuschießt; das hohe Piepsen einer Maus. Die Katze springt zurück und läßt die Beute los, kauert wieder, wartet, bis die flüchtende Maus weit genug ist und springt noch einmal, packt sie mit beiden Pfoten und wirft sie hoch. Die Maus wirbelt durch die Luft, Max springt neben ihr her und faßt sie wieder, spielt Ball und Haschen mit ihr, legt sich dann hin und leckt sich die Tatze. Die ramponierte Maus erholt sich und läuft auf das Loch zu, vor dem sich die Katze intensiv der Körperpflege widmet. Ohne den Kopf zu drehen fährt sie mit der Pfote in die Öffnung und holt die Maus hervor, wirft sie beiseite und leckt sich weiter. Die Maus kann nirgendwohin fliehen, sie versucht, das Loch wieder zu erreichen; solange sie umherläuft, wird sie kaum beachtet, sobald sie im Loch verschwinden will, ist auch die Katze mit ihrer Pfote da. Die Maus schleppt sich nur noch mühsam vorwärts, das Piepsen hat aufgehört; Max nimmt sie vorsichtig zwischen die Zähne und trägt sie zum Loch, sie soll es noch einmal versuchen. Die Maus kriecht langsam in die Dunkelheit, sie blutet im Nacken, ein Bein ist abgerissen; die Katze holt sie wieder.

Max wartet, tippt die Beute mehrmals mit geschlossener Pfote an, schiebt die totgespielte Maus in den Spalt und zieht sie sofort wieder heran. Die Maus wird immer kleiner, ein blutiges Fellknäuel.

»Max, komm her!«

Die Katze will ihre Beute wieder in das Loch schieben, aber als Nordanc auf sie zugeht, packt sie die Maus und verkriecht sich mit ihr in die dunkle Ecke hinter Jirses Rasendrescher. Der Brauerei-Kater, der die ganze Zeit neben der Ausfahrt gekauert hat und gespannt zusah, läuft ihr nach.

»Die Spaltenappetenz der Feliden«, hinter Nordanc steht ein junger Mann, hoch, schlank, mit einer Krücke.

»Was sagen Sie?«

Im Licht sieht er noch besser aus; auch das Gipsbein wirkt sportlich.

»Ich meine, Katzen angeln gern in Löchern, wie Sie gesehen haben. Sie holen sich die Beute bevorzugt aus Schlupfwinkeln, auch wenn neben ihnen fette Mäuse frei herumlaufen; aber bisher wußte ich nur vom Serval, daß er die Beute selbst ins Loch stopft, um sie wieder hervorzuholen.«  - Libuše Moníková, Die Fassade. München 1987

Spalte Appetit

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme