»Ich auch«, setzte Sung hinzu. Wohl oder übel mußte sich Kurzbeintiger dazu bequemen, seine Gefangene herbeizuholen.
Heulend und um Gnade winselnd, trat sie vor die Häuptlinge.
»Weib, ich hatte dir neulich in der besten Absicht und in Ansehung deines
Rangs als Mandarinengattin zur Freiheit verhelfen. Warum hast du Undankbare
Wohltaten mit Feindschaft vergolten? Was hast du zu deiner Rechtfertigung vorzubringen?«
stellte Sung sie unmutig zur Rede. »Ach was, mit solcher Sorte wird kurzer Prozeß
gemacht!« brach der erste Häuptling das Verhör ab, zog sein Schwert und spaltete
sie mit einem einzigen Hieb in zwei Hälften. -
(
raub
)
Dessen Anhänger gaben Praejectus die Schuld dafür und schworen Rache. Sie
legten einen Hinterhalt und fielen über den Zug des Bischofs her. Zuerst erschlugen
sie aus Versehen seinen Begleiter, den hl. Amarin. Der Bischof aber stellte
sie zur Rede, worauf ihn sofort ein Dolchstich traf.
Und kaum hatte Praejectus sein letztes Stoßgebet gesprochen, »Herr, vergib ihnen,
denn sie wissen nicht, was sie tun!«, da spaltete ihn ein Kriegsknecht mit dem
Säbel von Kopf bis Fuß in zwei Teile. - Albert Christian Sellner, Immerwährender
Heiligenkalender. Frankfurt am Main 1993
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1001
)
Spaltung (4) Und dann lief ich. Ja, dann lief ich viele Häuserzeilen entlang durch die Viertel meiner Stadt, eilte auf vertrauten Wegen davon. Und das Gefühl, fern meines dort liegenden Körpers zu sein, ließ mich die falsche Ruhe desjenigen wiederfinden, der sich in sein Schicksal ergeben hat, gab meinem Bewußtsein die eitle Gelassenheit, die zum Nachdenken einlädt. So lief ich endlos weiter und entwickelte unter dem kalten Mond der tiefen Nacht die Theorie meines Todes.
Und ich glaubte, die ganze Wahrheit gefunden zu haben. ›Ich habe geschlafen und geträumt. Ohne Zweifel durchschritt ich als Traumgestalt die raumlosen Dimensionen meines Traums; raumlose und zeitlose, einzigartige Dimensionen, die mit unserem engen Kerker des Wächseins nichts zu tun haben.. .‹
Ich befand mich auf dem Platz unter der alten Linde.
›Plötzlich bin ich aufgewacht, wer weiß warum. Zu plötzlich: darin liegt der Schlüssel zu meiner gegenwärtigen Lage. Erwacht man nicht im Augenblick des Todes? Ich bin derart schnell ins Reich der Menschen zurückgekehrt, daß meine Traumgestalt — die in jenem Augenblick Gefäß meines Lebens und meines Denkens war — nicht die Zeit hatte, mit zurückzukehren... Und so kam es zu der absurden Spaltung, der Bestürzung über das von meiner realen Gestalt losgerissene Traumbild; und über meinen Körper, der vom kleinen Tod des Schlafs in den großen Tod übergehen mußte, wo er jetzt lächelt.‹
Über den fernen Mauern zeigte sich ein grauer Streif.
›Ach, ich hätte niemals so jäh aufwachen sollen. Diese meine Traumgestalt wäre in ihrem engen Kerker aus Fleisch und Knochen zurückgekehrt; wenn sie sterben mußte, wären wir zusammen gestorben, ohne diese Spaltung ertragen zu müssen, deren Tragweite ich nicht ermessen kann... Das Leben ist die Zeit! Warum hämmert in mir dieser Gedanke? Das Leben ist die Zeit! Aber diese meine jetzige Zeit ist schrecklicher als jeder Tod; sie ist bewußter Tod, sie bedeutet, am Kopfende eines gräßlichen Bettes meiner eigenen Zersetzung beizuwohnen.. .‹
Und das Orchester des Tagesanbruchs stimmte leise seine kupferfarbenen Instrumente.
›Dort bin ich absoluter Raum: hier bin ich lebendige Zeit. Die Bilder der Wirklichkeit sind zerbrochen! Mein Leichnam ist, indem er nichts mehr ist; während ich kaum den Schrecken meines Nichtseins begreife, reine Zeit, die sich in keine Form bringen läßt, ein Gespenst, das der Morgen den düsteren Blicken der Leute darbieten wird.. .‹
Und es war fast schon Tag.
›Kann man mich sehen? Bin ich unsichtbar? Großmutter hat mit mir gesprochen,
hat mich gestreichelt. Aber der Spiegel wollte
mich nicht widerspiegeln, er blieb leer. Wer bin ich? Wie wird diese abscheuliche
Maskerade enden?‹ -
Julio Cortázar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt
am Main 1998
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